Die ISS hält viele Rekorde: Mit den Ausmassen eines Fussballfelds ist sie das grösste menschengemachte Objekt im All. Mit geschätzten Kosten von 150 Milliarden US-Dollar das teuerste. Und so lang wie die ISS hatte kein anderes Weltraumgefährt nonstop Menschen an Bord.
Vor 25 Jahren, Anfang November 2000, betrat die erste Besatzung die Raumstation 400 Kilometer über der Erde: der US-Amerikaner William Shepherd und die Russen Yuri Gidzenko und Sergei Krikalev. Und bis heute arbeiten und forschen auf der ISS Astronautinnen und Kosmonauten der Raumfahrtbehörden der USA (NASA), Europas (ESA), Russlands (Roskosmos), Japans (Jaxa), Kanadas (CSA) und anderer Staaten zusammen.
Allerdings leidet die ISS zunehmend an Materialermüdung. Ihr Normalbetrieb dürfte daher ab 2028 eingeschränkt sein. Ende 2030 soll sie kontrolliert ins Meer stürzen.
Milliardäre und Grosskonzerne statt Staaten
Bis dann wollen gleich mehrere Unternehmer eigene Raumstationen oben haben und bewerben sich zurzeit bei der Nasa um Geld. Manche haben auch viel privates Geld im Rücken: Axiom Space etwa, gegründet von früheren Nasa-Spitzenleuten, oder das US-Startup Vast. Als gut aufgestellt gilt zudem Starlab, hinter dem ein Konsortium grosser Raumfahrt- und Techkonzerne wie Airbus (Europa), Voyager (USA), MDA (Kanada) oder Mitsubishi (Japan) steht. Wer am Ende das Rennen macht, ist noch offen.
Es wird eine neue Ära beginnen, jene der privaten Nutzung und Produktion im All.
Klar ist: Alle drei Privaten wollen die Grundlagenforschung der ISS übernehmen. Das garantiert ihnen einen Grundstock an Auftraggebern. Zugleich aber seien die Ziele andere, sagt Oliver Ullrich, Professor für Luft- und Raumfahrtmedizin an der Uni Zürich und Vorstandsvorsitzender des Center for Space and Aviation (CSA) im Innovationspark Zürich: «Es wird eine neue Ära beginnen, jene der privaten Nutzung und Produktion im All».
Auf privaten Raumstationen sollen künftig Hightechprodukte entstehen, bei deren Herstellung die Schwerelosigkeit quasi als Werkzeug zum Einsatz kommt.
In der Schwerelosigkeit sinken Partikel nicht ab, sondern bleiben gleichmässig verteilt. Das lässt sich nutzen im All, etwa um Proteinkristalle mit komplexer dreidimensionalen Struktur zuverlässig herzustellen, sei es für Krebs-Immuntherapien oder für Medikamente, die man nicht mehr im Spital, sondern zu Hause mit einem Pen spritzen würde.
Auch wichtige «Zutaten» für Halbleiter, Computer oder Hochleistungsrechner gelten als heisse Kandidaten für die Produktion im All.
Neue industrielle Revolution?
Dass solches gefragt ist, hat die Pilotforschung der ISS im kleinen Stil schon gezeigt. Daher soll nun die Massen-Produktion folgen. Die privaten Raumstationen werden entsprechend gebaut. Das Starlab etwa ist eine riesige Tonne mit genug Platz, um in Bioreaktoren Medikamente oder menschliches Gewebe für Tausende Patienten und Patientinnen herzustellen. Und dies laut Oliver Ullrich erst noch günstiger als auf der Erde.
Letzteres gelte aber nur unter der Bedingung, dass die Riesenrakete von SpaceX tatsächlich bald fliegt – und dass der Preis für Warentransport ins All tatsächlich so massiv sinkt wie angekündigt. Es bleibt also abzuwarten, ob die Prognostiker recht haben, die von der Post-ISS-Ära eine neue industrielle Revolution erwarten.