Es klingt paradox und doch war es jahrzehntelang ein Problem in der Astronomie: Dem Universum fehlt Masse. Respektive: Man wusste nicht, wo sich ein Grossteil der Masse im Universum versteckt.
Dank des Blickes ins frühe Universum weiss man nämlich ziemlich verlässlich, wie viel Materie es im Universum geben müsste. Nur findet man bei weitem nicht so viel, wenn man mit gängigen Methoden ins Universum blickt.
Suche nach dem mysteriösen Gas
Irgendwo sonst muss sich also noch Materie verstecken – und zwar deutlich mehr Materie, als bekannterweise in den Galaxien vorhanden ist. Eine Suche begann.
Übrigens handelt es sich dabei um herkömmliche Materie, wie wir sie kennen – sogenannte Baryonen. Mit der berüchtigten Dunklen Materie hat das alles nichts zu tun.
Wir hatten lange keine Ahnung, wo es steckt.
Schon früh war klar: Es dürfte sich bei der verschollenen Materie um dünnes Gas handeln. Denn das würde auch erklären, warum diese Materie lange nicht mit Teleskopen gefunden wurde.
Nachweis über Lichtblitze
«Wir hatten lange keine Ahnung, wo es steckt», sagt dazu Liam Connor, Astrophysiker an der Harvard University. Doch er und seine Kolleginnen und Kollegen wollten einen Weg finden, dieses praktisch unsichtbare Gas zu finden.
Dabei machten sich die Forschenden ein sehr seltenes und schwierig zu detektierendes Phänomen zunutze: Schnelle Radioblitze. Es sind kurze, heftige Lichtblitze, ungefähr eine Millisekunde lang, von denen nicht einmal klar ist, warum sie im Universum entstehen.
Die Idee war, diese Lichtblitze mit Radio-Teleskopen einzufangen. Wenn es das mysteriöse Gas tatsächlich gibt, dann würde es bei diesem Signal eine Spur hinterlassen. Je mehr Gas es gibt, umso mehr würden sich Frequenzen aufspalten, ähnlich wie ein Prisma verschiedene Farben von sichtbarem Licht aufspaltet.
Genau das fanden die Forschenden in den Daten. «Nach zum Beispiel fünf Milliarden Lichtjahren Reise kommen die höchsten Frequenzen ungefähr eine Sekunde früher an als die tiefsten», sagt Connor. Durch diese Verzögerung lässt sich abschätzen, durch wie viel Gas der Lichtblitz geflogen ist.
Die Mehrheit des Universums ist dünnes Gas
Liam Connor und seine Kolleginnen und Kollegen werteten ein paar Dutzend dieser schnellen Radioblitze aus. Tatsächlich konnten sie damit die bisher verschollene Materie im Universum nachweisen.
Die Resultate gehen noch weiter. Die Forschenden haben jetzt einen ungefähren Überblick, wo sich diese Materie befindet.
Das meiste dieses Gases und damit das Meiste an Materie im Universum stecke nicht in Galaxien und deren Umgebung, sondern deutlich weiter draussen, im intergalaktischen Raum, so Connor. Der grosse Teil der Materie im Universum dürfte also ein praktisch unsichtbares heisses, dünnes Gas sein.
Das Rätsel ist wohl gelöst
Die Erkenntnis klingt verblüffend, doch in der Fachwelt scheint sie zu überzeugen. Andrew Taylor vom deutschen Forschungszentrum DESY sagt, die Harvard-Forschungsarbeit lege schlüssig dar, dass man die fehlende Materie im Universum gefunden habe.
Auch andere Arbeiten aus den letzten Monaten würden in diese Richtung weisen, so Taylor. So konnte das japanische Weltraumteleskop Suzuka kürzlich eine Art Glühen dieses Gases nachweisen. Bei zehn Millionen Grad Celsius schiesst das Gas nämlich Lichtteilchen weg – Röntgenstrahlen.
Das Rätsel um die fehlende Materie dürfte also gelöst sein.