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Europas Mission verschoben Leben unterm Eispanzer – die Sonde Juice startet zum Jupiterflug

Die ESA wagt sich so weit hinaus, wie noch nie. Morgen startet die Sonde Juice ihre acht Jahre dauernde Reise zum Jupiter.

2031 wird die Juice-Sonde da sein, wo sie hinsoll. 700 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, in einer Welt der Extreme. Extrem kalt, extrem dunkel und extrem verstrahlt. «Jupiter ist ein riesiger Teilchenbeschleuniger», sagt Astrophysiker Peter Wurz von der Universität Bern.

Start auf morgen Freitag verschoben

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Der Start der Jupitersonde Juice ist verschoben worden. Grund ist das schlechte Wetter beim Weltraumbahnhof in Kourou, Französisch-Guyana. Neu ist der Start für Freitag , 14.15 Uhr (Schweizer Zeit) angesagt.

Strapazen für die Elektronik

Ein Jupitertag dauert lediglich zehn Stunden. Der Gasriese ist ein wirbelnder Koloss, der mit der schnellen Rotation und seinem mächtigen Magnetfeld eine sehr grosse Radioaktivität erzeugt. Absolut tödlich für uns Menschen und eine grosse Gefahr für die Elektronik.

Die Elektronik der Sonde ist daher speziell strahlensicher gebaut und geschützt durch einen Strahlendetektor, der am Paul-Scherrer-Institut im aargauischen Villigen konstruiert wurde.

RADEM – Strahlendetektor aus dem Aargau

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Ein Mensch würde im verstrahlten Jupitersystem höchstens zwei Stunden überleben. Die starke Strahlung strapaziert aber auch tote Materie wie die hochkomplexen Geräte an Bord von Juice.

Damit die Elektronik trotz Radioaktivität den Geist nicht aufgibt, wurde sie extra strahlen resistent gebaut. Zusätzlich sind die Instrumente mit einer speziellen Wolfram-Kupfer-Legierung ummantelt und werden von einem Strahlendetektor aus den Labors des Paul Scherrer Instituts (PSI) im aargauischen Villigen geschützt.

Der Detektor heisst RADEM ( Rad iation-hard- E lectron M onitor) und wurde von Wojtek Hajdas entwickelt: «Wenn die Strahlung zu stark wird, schlägt der Detektor Alarm.» Die Geräte schalten sich dann aus und erwachen erst wieder, wenn die Strahlendosis im erträglichen Bereich liegt.

RADEM hat aber noch andere Aufgaben. Er analysiert vom Start weg die Strahlung, kartiert nach Ankunft im Jupitersystem den Strahlungsgürtel des Gasriesen und beobachtet, wie die geladenen Teilchen um Jupiter von dessen Magnetfeld beeinflusst werden.

Davon erhoffe er sich neue Erkenntnisse zu den Grundlagen der Physik, mit denen sich andere kosmische Phänomene wie die Sonnenaktivität und deren Einfluss auf die Magnetosphäre der Erde besser verstehen lassen.

Daten und Licht im Dunkeln sammeln

Als künstlicher Mond wird Juice durch das dunkle Jupitersystem ziehen, um Gasmassen, Magnetfelder und Strahlung zu messen. Mit einem Minimum an Energie.

Die 85 Quadratmeter Solarpanels müssen dabei jedes Quäntchen Licht aus der Dunkelheit ziehen, sagt Audrey Vorburger . Auch sie ist Astrophysikerin an der Universität Bern und wie Peter Wurz seit den ersten Planungssitzungen an Juice beteiligt. Die Solarpanels liefern etwa 900 Watt. Auf der Erde wären es 30'000 Watt. «Damit kann man einen Föhn gerade mal auf niedrigster Stufe laufen lassen.»

Eismonde sind kosmische Tiefkühltruhen

Juice, so flüssig das klingt, hat Gefrorenes im Fokus: die drei grossen Eismonde Ganymed, Europa und Kallisto. Die Bezeichnung Juice steht denn auch für « Ju piter Ic y Moons E xplorer».

Auf dem Bild ist der Jupiter mit den drei Eismonden zu sehen.
Legende: Auf dem Bild zu sehen: Ganymed im Vordergrund, Kallisto ganz rechts und Europa in der Mitte rechts. Der vulkanisch aktive Mond Io ist ebenfalls zu sehen, und zwar links. NASA, ESA, CSA, STScI, J. DePasquale (STScI)

In der bis zu -170 Grad kalten Strahlenhölle ziehen die drei Eismonde ihre Runden um Jupiter. Zugedeckt von bis zu 150 Kilometer dicken Eispanzern. Darin konserviert die Geburtsgeschichte unseres Sonnensystems. «Die eingefrorene Chemie erlaubt uns einen Blick auf die Zeit vor 4.5 Milliarden Jahren» so Peter Wurz, Leiter des Berner Juice-Teams.

Harte Schale, weicher Kern

Juice soll diese Urwolken-Chemie entschlüsseln und das Weiche unter der harten Schale. «In den riesigen Wasserozeanen, könnte es einfaches Leben geben, vor der Strahlung durch die dicken Eismäntel geschützt.»

Und zwar am ehesten auf Europa. Weil dort der Ozean tief, gross und alt sei und weil er am Boden direkt auf Gestein treffe, sagt Audrey Vorburger. Gestein, aus dem sich an warmen Quellen Mineralien lösen, die Leben entstehen lassen und nähren könnten.

Mögliches Leben erschnüffeln

Juice wird sich dem Eismond bis auf 200 Kilometer nähern und mit viel Glück einen Ausatmer von Europa kreuzen. Eine der geysirartigen Wasserfontänen, die Europa durch Risse seiner Eisschicht presst. Das sei die grosse Hoffnung, sagt Peter Wurz: «In so einem Sprühregen können wir mit unserem Massenspektrometer NIM direkt die chemische Zusammensetzung des Ozeans, und Spuren von Leben in Form von Stoffwechselprodukten messen – sofern Leben vorhanden ist.»

Kosmischer Naturschutz – der Planetary Protection Act

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Die Suche nach Leben auf andern Planeten könnte unerwünschte Folgen haben. Für das irdische, aber auch für mögliches ausserirdisches Leben. COSPAR, der Ausschuss für Weltraumforschung, hat daher Richtlinien entworfen, die den Schutz jeglichen Lebens sichern soll.

So muss sichergestellt sein, dass Rückkehrmissionen kein ungesichertes ausserirdisches Leben auf der Erde einschleppen. Umgekehrt gilt: Sonden, die der Mensch ins All schiesst, müssen steril sein, damit sie andere Planeten nicht mit irdischen Keimen kontaminieren. Der Planetary Protection Act wird regelmässig geprüft und angepasst.

Drei Jahre wird Juice im Jupitersystem seine Runden drehen – und dann, wenn ihm Licht und Energie ausgehen, auf dem grössten Mond, auf Ganymed zerschellen.

Wissenschaftsmagazin, 08.04.2023, 12:40 Uhr

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