Wetterwolken jagen über den Vierwaldstättersee – wie eine kochende Ursuppe – und eine Frauenstimme aus dem Hintergrund hebt an: «Eine Ewigkeit hatte es gedauert – jedenfalls unglaublich lange – bis eine Mehrheit der Schweizer Männer im Februar 1971 den Frauen die politische Gleichberechtigung zugestand.»
Doch selbst dann, so heisst es weiter, konnten sich acht Kantone noch immer nicht zu diesem Schritt durchringen – darunter drei aus der konservativen Urschweiz.
Kleider, Kant und Koitus
Hat vielleicht die katholische Tradition das negative Abstimmungsverhalten vielerorts beeinflusst? Mit dieser These beginnt der Film «Das katholische Korsett» von Beat Bieri und Jörg Huwyler.
Im Zentrum des Filmes stehen unter anderen Juristin und Politikerin Judith Stamm, Schriftstellerin Margrit Schriber, Juristin Ruth Wipfli Steinegger, ehemalige Ordensschwester, Theologin und Philosophin Imelda Abbt und Wirtin und Briefaktivistin Hanny Wallimann.
Sie tippen alle Themenkreise an, die indirekt oder direkt mit dem Katholizismus zu tun haben. Margrit Schriber beispielsweise wurde als Schülerin eingebläut, Sexualität sei eine Untat, Ruth Wipfli Steinegger berichtet über strenge Kleidervorschriften in ihrer Jugend.
Gesellschaftliche Strukturen müssen immer wieder neu hinterfragt werden: So bringt es die Philosophin Imelda Abbt auf den Punkt, wenn sie ihr geistiges Erweckungserlebnis – ausgehend von den Schriften Immanuel Kants – beschreibt: «Fange selbst an zu denken.»
Als sie dies verinnerlicht hatte, verliess sie ihren Orden, im vollen Bewusstsein, dass dies seinerzeit als «Schande» galt.
Hierarchische Weltsicht
Ein berührendes Statement liefert Franz Steinegger, der einzige Mann im Film. Es steht im krassen Widerspruch zu den vielen historischen Einspielungen von männlichen – im heutigen Verständnis wohl eher peinlich anmutenden – Meinungsäusserungen aus der Ecke: «Die Frau gehört an den Herd!»
Franz Steinegger, der frühere Urner FDP-Politiker und einst Fast-Bundesrat betont, dass für ihn nur eine Partnerin in Frage komme, die ein selbstbestimmtes Leben zu bestreiten in der Lage sei.
Hat nun die katholische Tradition das Abstimmungsresultat tatsächlich beeinflusst? Der Film antwortet darauf eher atmosphärisch als faktisch, indem er mit stimmungsvollen Bildern suggeriert: Die römisch-katholische Weltsicht ist mit Gott oben, danach folgt Adam und viel später Eva, streng hierarchisch geordnet.