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Alpinismus und Feminismus Frauenseilschaften: Immer mehr Frauen erklettern das Hochgebirge

Frauen, die bergsteigen, gab es lange kaum. Das ändert sich nun – langsam, aber stetig. Und so sind Alpinistinnen heute auch immer öfter in Frauenseilschaften unterwegs.

Für Caro North ist der Trend eindeutig: «Ich treffe ganz klar mehr Frauen, wenn ich heute unterwegs bin, als noch vor 15 Jahren.» Die 34-jährige Caro North ist Bergführerin und eine der stärksten Schweizer Alpinistinnen. Soeben ist sie aus Grönland zurückgekehrt, wo sie das Frauen-Expeditionsteam des Schweizer Alpen-Club SAC begleitet hat.

«Wir haben immer zu hören bekommen, wie schwierig es würde, dass das Frauen-Expeditionsteam gut funktioniert. Bei den Männern hingegen stellte das niemand in Frage», erinnert sie sich. Doch allen Zweifeln zum Trotz meisterten die Teilnehmerinnen gemeinsam eine anspruchsvolle Expedition. Caro North: «Wir hatten so eine tolle Zeit zusammen und konnten richtig viele Touren klettern!»

Sprungbrett für junge Alpinistinnen

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In verschiedenen Ländern gibt es heute Förderprogramme zur Ausbildung junger Alpinistinnen. Auch der Schweizer Alpen Club (SAC) startete 2007 ein Pilotprojekt, um das Expeditionsbergsteigen zu fördern.

Seit einigen Jahren bildet der SAC alle paar Jahre ein Team junger Frauen und junger Männer jeweils separat aus.

Das Interesse daran sei vor allem bei den jungen Frauen deutlich gestiegen, schreibt Silvan Schüpbach auf Anfrage. Er ist beim SAC verantwortlich fürs Leistungsbergsteigen: «Wir stellen ein steigendes Interesse an unserem Ausbildungsangebot für Nachwuchsalpinistinnen fest. Während wir vor rund 10 Jahren kaum Anmeldungen von Frauen hatten, werden wir im nächsten Jahr, wenn sich die Tendenz fortsetzt, mehr Anmeldungen beim Frauen-Team haben als bei den Männern.»

Ähnliche Förderprogramme gibt es auch in Deutschland oder Frankreich. Daraus gingen oftmals starke junge Alpinistinnen hervor, die anschliessend auch auf eigene Faust in den Bergen unterwegs seien, sagt Caro North, die das aktuelle SAC-Frauen-Expeditions-Team während der letzten drei Jahre ausgebildet hat.

Zähe Vorurteile

Die Schweizer Spitzenalpinistin staunt bis heute, dass sie immer mal wieder zu hören bekommt: «Was, Frauen, die hier klettern?» oder «Ihr seid tatsächlich eine Frauenseilschaft?» Sie macht auch die Erfahrung, dass ihr deutlich weniger Gehör geschenkt wird wie ihren männlichen Kollegen. «Wenn es geht, versuche ich das jeweils mit einem Spruch zu parieren, aber das erfordert viel Schlagfertigkeit.»

Die Atmosphäre ist einfach anders, wenn man nur mit Frauen unterwegs ist.
Autor: Caro North Berführerin und Alpinistin

Sie selber geht bevorzugt mit Freundinnen bergsteigen und klettern. «Meine Erfahrung ist, dass Frauen wohlwollender miteinander umgehen. Man kann über seine Gefühle und über seine Ängste reden und man unterstützt einander voll und ganz. Ich sage nicht, dass das mit Männern nicht möglich ist. Aber die Atmosphäre ist einfach anders, wenn man nur mit Frauen unterwegs ist, als in einem gemischten Team.»

Langsamer Wandel

Die Geschichte des Bergsteigens in der Schweiz war über lange Zeit eine Männergeschichte. Es gab immer wieder Frauen, die trotz Vorurteilen und teils auch Verboten auf Berge kletterten. Aber ihre Geschichten sind deutlich seltener, oftmals schlecht aufgearbeitet und meist wenig bekannt.

Ab den 1970er-Jahren ändert sich das langsam. 1980 – nach jahrzehntelangen Diskussionen – fusioniert der Schweizer Alpen Club schliesslich mit dem Schweizer Frauen-Alpen-Club. Fortan dürfen auch Frauen im SAC Mitglied werden. Die Ausbildung zur Bergführerin steht Frauen in der Schweiz seit den frühen 1980er-Jahren offen. Ein wichtiger Schritt: Dieser Beruf erlaubt es ambitionierten Alpinistinnen, das Training in den Bergen mit einem Einkommen zu verbinden. Bis heute sind in der Schweiz drei Prozent aller Bergführer Frauen.

Frauen auf den allerhöchsten Bergen

Seit den frühen 2000er-Jahren nimmt die Anzahl der Alpinistinnen rasant zu. Zahlen dazu gibt es aus dem Himalaya. Billi Bierling, selber Bergsteigerin und Journalistin, führt genau Buch über die Expeditionen, welche die höchsten Gipfel der Welt im nepalesischen Himalaya zum Ziel haben.

«Noch vor 20 Jahren konnte ich auswendig aufzählen, welche Frauen bereits alle 14 Achttausender-Gipfel bestiegen haben», sagt Billi Bierling. «Heute ist das unmöglich geworden – so viele starke Alpinistinnen versuchen sich an den Achttausendern!»

Frauen im Himalaya

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Die Himalayan Database umfasst alle Expeditionen auf bedeutende Berge im nepalesischen Teil des Himalaya seit 1905.

Die erste Frauen-Expedition verzeichnet die Database im Jahr 1955: Die beiden Britinnen Monica Jackson und Elizabeth Stark bestiegen damals den 6733 Meter hohen Leonpo Gang East.

1975 – im internationalen Jahr der Frau – stand die Japanerin Junko Tabei als erste Frau auf dem höchsten Berg der Welt, dem Mount Everest. Alpinistinnen aus dem asiatischen Raum spielten von Anfang an eine wichtige Rolle beim Höhenbergsteigen.

Mit Wanda Rutkiewicz stand 1978 erstmals eine Europäerin auf dem Mount Everest. Die polnische Bergsteigerin widmete ihr Leben radikal den Bergen und gilt heute als eine der wichtigsten Alpinistinnen des 20. Jahrhunderts. Ihr Leben und ihr mysteriöses Verschwinden wurde vor Kurzem verfilmt.

Vor gut zwei Jahren gelang es Sophie Lavaud als erster Schweizerin, alle 14 Achttausender zu besteigen. Sie zählt damit zu jenen Frauen, die seit den frühen 2000er-Jahren sehr viel öfter auf den Gipfeln des Himalaya gezählt werden.

Kulturplatz Talk, 19.9.2025, 9:05 Uhr

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