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Abschaffung der Stempelsteuer Führen Steuersenkungen zu Mehreinnahmen beim Fiskus?

Es wird mit altbekannten Argumenten gestritten: Linke warnen vor Einnahmeausfällen. Bürgerliche sagen, jede Steuersenkung habe längerfristig einen positiven Effekt.

Es geht um 250 Millionen Franken jährlich: Dieser Betrag entginge dem Bund, würde die Stempelabgabe abgeschafft, über die abgestimmt wird. Diese Sichtweise sei zu statisch, sagt Finanzminister Ueli Maurer. Denn längerfristig führten Steuersenkungen letztlich zu Mehreinnahmen.

Ueli Maurer
Legende: «Wir brauchen gute Rahmenbedingungen für Unternehmen, damit wir entsprechende Steuereinnahmen haben», so Maurer. Bei guten Rahmenbedingungen wie tieferen Unternehmenssteuern profitiere der Fiskus, weil Firmen zuzögen, Arbeitsplätze schüfen. Bei der Abschaffung der Stempelabgabe werde sich das zeigen. Keystone

SP-Nationalrätin Jacqueline Badran widerspricht: In den letzten 25 Jahren habe die Schweiz schon stetig Steuern für Unternehmen und auf Kapital gesenkt, ohne irgendeinen volkswirtschaftlichen Effekt.

Jacqueline Badran
Legende: «Wir hatten in den letzten 25 Jahren drei Unternehmenssteuerreform und haben 13-mal die Stempelsteuer reduziert. Das ist eine weitere Salamischeibe auf dem Weg dahin, dass wir am Ende nur noch den Konsum, die Lohn- und Renteneinkommen besteuern über die Mehrwertsteuer», sagt Badran, Zürcher SP-Nationalrätin. Keystone

Rentnerinnen, Konsumenten, Angestellte müssten dem Staat mehr abliefern, weil Firmen und Grossaktionärinnen entlastet worden seien, kritisiert Badran. Was der Finanzminister wiederum bestreitet: Gerade für Private seien in vielen Kantonen die Steuern gesenkt worden – eben dank diesen Steuersenkungen für Firmen.

Geht diese Rechnung auf? Führen Steuersenkungen längerfristig tatsächlich zu Mehreinnahmen für den Bund? Wirtschaftsprofessor Marius Brülhart von der Universität Lausanne differenziert: «Steuersenkungen generieren in der Regel durchaus positive wirtschaftliche Impulse. Aber der Traum jedes Finanzministers, jeder Finanzministerin, dass man die Steuern senken und dabei Mehreinnahmen erzeugen kann, erfüllt sich leider sehr selten.»

Der Traum jedes Finanzministers, jeder Finanzministerin, dass man die Steuern senken und dabei Mehreinnahmen erzeugen kann, erfüllt sich leider sehr selten.
Autor: Marius Brülhart Wirtschaftsprofessor, Universität Lausanne

Starke positive Impulse sieht hingegen eine Studie im Auftrag des Bundes, wenn neben der Stempelabgabe auch noch weitere Steuern abgeschafft würden. Aber auch nur schon bei einer Abschaffung der Stempelabgabe würden die Einnahmeausfälle beim Bund längerfristig mehr als kompensiert, so die Studie – also nach zehn Jahren. Das sei schon möglich, sagt Wirtschaftsprofessor Brülhart. Voraussagen auf zehn Jahre hält er allerdings für eher spekulativ.

Für FDP-Fraktionspräsident Beat Walti indes ist klar: «Man kann ja die Einnahmen verfolgen und sehen, dass sich insbesondere die Unternehmenssteuererträge positiv entwickelt haben, insofern sind solche Effekte keine Theorie, sondern was, das man messen kann.»

Was war zuerst: Das Huhn oder das Ei?

Tatsächlich haben sich in den letzten 20 Jahren die Gewinnsteuererträge von Firmen beim Bund mehr als verdoppelt – just in der Zeitspanne also, in der Unternehmenssteuern verschiedentlich gesenkt wurden. Nur sei eben nicht so klar, wie das alles zusammenhänge, sagt Brülhart. «Es ist wie die Frage vom Huhn und dem Ei. Sind die Einnahmen gestiegen, weil man die Steuern gesenkt hat, oder wurden sie Steuern gesenkt, weil die Wirtschaft sich gut entwickelt hat? Die Kausalität kann in beide Richtungen gehen. Es ist unklar, welcher Mechanismus dominiert.»

Ohnehin sei es falsch, den Blick nur auf Steuererträge oder den wachsenden Haushalt des Bundes insgesamt zu richten, sagt Badran. Auch sie bestreitet nicht, dass zum Beispiel die erste Unternehmenssteuerreform von 1998 Firmen in die Schweiz gelockt habe – inklusive Angestellte. «Dann schrien die gleichen, die diese Steuerpolitik beschlossen haben: Wir haben zu viel Zuwanderung!»

Beat Walti
Legende: «Die Verwaltung wird nicht mit jedem Menschen, der neu in der Schweiz wohnt, teurer, und es wurden keine Leistungen abgebaut, sondern im Gegenteil, es wurden Leistungen ausgebaut», betont Walti, und widerspricht damit Badran. Keystone

Interessant sei aber, was das mit dem Bruttoinlandprodukt (BIP) gemacht habe, sagt sie. «Das ist nicht gestiegen. Das heisst, der Wohlstand ist nicht gestiegen, aber wir haben ein aufgeblasenes Wachstum produziert, und das ist keine kluge Wirtschaftspolitik.»

Walti widerspricht: Auch das BIP, also die Wirtschaftsleistung pro Kopf, sei in den letzten Jahren gestiegen. Dieses sei aber sowieso die falsche Messgrösse. Entscheidend sei: Der Staat habe dank Steuersenkungen mehr Mittel zur Verfügung und setze diese mit wachsender Bevölkerungszahl auch immer effizienter ein.

Schon die nächste Steuerfrage unterwegs

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Was bringen höhere oder tiefere Steuern? Diese Frage ist der Stimmbevölkerung von früheren Abstimmungen bestens vertraut. Und sie wird auch nach der Abstimmung über die Stempelabgabe vom 13. Februar nicht verschwinden: Die SP sammelt bereits Unterschriften dagegen, einen Teil der Verrechnungssteuer abzuschaffen.

Echo der Zeit, 10.01.2022, 18:00 Uhr

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