Zum Inhalt springen

Bergsturz in Blatten VS «Ich finde, dass Blatten eine neue Chance bekommen muss»

Hat Blatten eine Zukunft? Kann man das Dorf am gleichen Ort wieder aufbauen oder vielleicht doch anderswo im Lötschental? Christian Rieder ist Talratspräsident des Lötschentals. Er vertritt die Anliegen der vier Gemeinden im Tal und steht in dieser Krise an vorderster Front.

Christian Rieder

Gemeindepräsident im Lötschental

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Christian Rieder ist Gemeindepräsident von Kippel im Lötschental. Zudem ist er der Talratspräsident des Lötschentals, er vertritt die gemeinsamen Anliegen der vier Lötschentaler Gemeinden gegenüber der Kantonsregierung in Sion und dem Bund. Er ist Mitglieder der Mitte-Partei.

SRF News: Bringen Sie langsam Ordnung ins Chaos vor Ort?

Christian Rieder: Ja, wir haben inzwischen einen geregelten Führungsrhythmus. Jeden Morgen um 8 Uhr und nochmals abends um 17 Uhr treffen sich alle Einsatzkräfte zur Lagebesprechung. Die Situation beruhigt sich – aber nicht für die Betroffenen aus Blatten. Sie wurden evakuiert, was impliziert, dass man zurückkehren kann. Doch das ist leider nicht der Fall.

Schmerz ist vergänglich. Vielleicht geht er nie ganz weg – aber er verändert sich.

Der Schuttkegel kam nur wenige Kilometer vor Ihrem Haus zum Stillstand. Hat der Bergsturz bei Ihnen Angst ausgelöst?

Auf jeden Fall. Nicht primär, weil ich dort eine Wohnung habe, sondern wegen der Dimension dieses Ereignisses. Neben Angst sind auch Ärger und Frust präsent. Es sind viele negative Gefühle. Aber die Psychologie lehrt uns: Schmerz ist vergänglich. Vielleicht geht er nie ganz weg – aber er verändert sich.

Wieso verspüren Sie Frust?

Das Lötschental hat sich gut entwickelt: stabile Bevölkerungszahlen, erfolgreiche Bergbahnen, ein florierender Tourismus. Dieser Bergsturz wirft uns zurück. Politik ist wie ein Leiterspiel: man steigt auf, fällt zurück – und steigt wieder hoch. Auch wenn wir jetzt zwei Reihen tiefer sind, dürfen wir den Kopf nicht in den Sand stecken.

Sie sind in der Arbeitsgruppe «Neues Blatten». Soll das Dorf wieder aufgebaut werden?

Ich bin klar der Meinung, dass Blatten – unter den richtigen Voraussetzungen – eine neue Chance bekommen muss. Der Wiederaufbau muss aber innerhalb eines raumplanerischen Rahmens erfolgen, unter Einbezug aller bekannten Naturgefahren. Die Sicherheit steht an erster Stelle.

Wir brauchen Zahlen, Daten und Fakten. Nur so können wir über Zukunft und Sicherheit von Regionen diskutieren.

Aber den Schuttkegel abzutragen, scheint kaum machbar.

Das ist unrealistisch – schon wegen der Frage, wohin mit dem Material. Es ist wahrscheinlicher, dass Blatten an einem anderen Ort neu entsteht. Zum Beispiel in Weissenried, das ja bereits zur Gemeinde gehört. Wir müssen genau prüfen, wo unter welchen Bedingungen ein Wiederaufbau möglich ist. Der Schuttkegel könnte begrünt werden.

Sollen alpine Gegenden wie das Lötschental künftig unbewohnbar sein wegen solcher Gefahren?

Nein, das ist mir zu pauschal. Ja, es gibt mehr Bergstürze – aber statt Rückzug braucht es nun präzise Überwachung. Spezialisten müssen sagen können, welcher Berg sich wie bewegt. Wir brauchen Zahlen, Daten, Fakten – keine tendenziösen Aussagen. Nur so können wir über Zukunft und Sicherheit von Regionen sinnvoll diskutieren.

Im Lötschental leben Menschen mit starker Identität.

Was hat Sie in den letzten Tagen am meisten beeindruckt?

Der Stolz der Lötschentaler. Hier leben Menschen mit starker Identität. Wenn ihr Stolz verletzt wird wie jetzt, entsteht enorme Energie. Ich hoffe, diese Energie wird zur Kraftquelle, um gemeinsam durch diese schwierige Zeit zu gehen.

Das Gespräch führte David Karasek.

Diskutieren Sie mit:

Glückskette sammelt für Blatten

Box aufklappen Box zuklappen
QR-Code

Die Glückskette hat eine Sammelaktion gestartet für die Betroffenen im Lötschental. Spenden kann man unter anderem via QR-Code sowie auf der Website der Glückskette.

SRF 1, Tagesgespräch, 2.6.2025, 13 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel