Das Bach-Werk ist um zwei Musikstücke reicher. Entdeckt wurden sie bereits vor 30 Jahren, doch erst jetzt konnten sie dem berühmten deutschen Komponisten definitiv zugewiesen werden. Es handelt sich um die sogenannte «Ciacona in d-Moll» mit der Nummer BWV 1178 und die «Ciacona in g-Moll» mit der Nummer BWV 1179.
Der Direktor des Leipziger Bach-Archivs, Peter Wollny, hatte die Stücke schliesslich als diejenigen des jungen Johann Sebastian Bach identifiziert. Als Bach sie komponierte, war er erst ungefähr 18 Jahre alt. Der Musikwissenschaftler selbst hatte die Stücke 1992 in der Königlichen Bibliothek von Belgien in Brüssel entdeckt.
RTS-Beitrag über Bachs entdeckte Werke (dt. Untertitel):
Die beiden Chaconnen, ein damals beliebtes Musikgenre, wiesen «stilistische Merkmale auf, die in den Werken Bachs aus dieser Zeit zu finden sind, nicht aber bei einem anderen Komponisten», erklärte Wollny an einer Pressekonferenz. Die Partituren seien jedoch weder datiert noch signiert gewesen.
Dreissig Jahre Forschung
Peter Wollny suchte drei Jahrzehnte lang nach dem fehlenden Puzzleteil, um diese Kompositionen Bach zuzuordnen, und zwar «die Identifikation des Kopisten», erklärte er. Vor einigen Jahren entdeckten Fachleute dann eine sehr ähnliche Handschrift in einem Brief aus dem Jahr 1729, der von Bachs ehemaligem Schüler, Salomon Günther John, verfasst worden war.
Es waren jedoch weitere Beweise erforderlich, da die Handschrift nicht exakt identisch war und der Brief 20 Jahre nach den Manuskripten geschrieben wurde.
Die Entwicklung eines Forschungsportals über den Komponisten durch die Sächsische Akademie der Wissenschaften ermöglichte es, «mit Sicherheit festzustellen», dass die in Brüssel gefundenen Abschriften tatsächlich um 1705 von Salomon Günther John angefertigt wurden, erklärte Peter Wollny. Der entscheidende Punkt: Es wurden Handschriftenproben von John gefunden, die aus etwa derselben Zeit stammen – der endgültige Beweis dafür, dass es sich um seine Handschrift handelt.
Erstmals seit drei Jahrhunderten aufgeführt
Laut Peter Wollny komponierte Bach diese Chaconnen etwa im selben Jahr im thüringischen Arnstadt, wo er zu Beginn seiner Karriere als Organist tätig war. Nun wurden beide Werke in der Thomaskirche in Leipzig erstmals öffentlich aufgeführt.
In dieser Kirche, in der er 27 Jahre lang als Kantor wirkte, ist der Meister der Barockmusik begraben. Der Präsident des Bach-Archivs, Ton Koopman, beurteilte die beiden Stücke als «von sehr hoher Qualität» und zeigte sich überzeugt, dass sie weltweit künftig regelmässig aufgeführt würden.
«Eine weltweite Sensation»
Der deutsche Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, der bei der Premiere anwesend war, bezeichnete sie als «einen grossartigen Moment für die Welt der Musik». «Es ist eine weltweite Sensation, eine Premiere für uns alle, dass ein Werk, 320 Jahre später oder sogar noch etwas länger, nun zu hören ist», freute er sich.
Obwohl Bach ursprünglich aus Thüringen stammte, verbrachte der Musiker den zweiten Teil seines Lebens im sächsischen Leipzig, wo er 1750 starb. Dort brachte Bach einige seiner grössten Werke zur Uraufführung, wie die «Johannes-Passion» oder die Kantaten des «Weihnachtsoratoriums».