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Klimaklage gegen Holcim Inselbewohnerin: «Der Klimawandel trifft uns hart»

Ihr Kampf ging um die Welt: Vier Bewohnerinnen und Bewohner der indonesischen Insel Pari haben sich entschieden, gegen eine der klimaschädlichsten Industrien vorzugehen – die Zementbranche. Swissinfo hat sie an ihrem bedrohten Wohnort getroffen.

Die Insel Pari liegt rund 40 Kilometer nordwestlich der indonesischen Hauptstadt. Wie viele kleine Inseln weltweit steht sie an vorderster Front, was den Klimawandel angeht. Die Bewohnerinnen und Bewohner spüren täglich die Folgen: steigender Meeresspiegel, zerstörte Meeresökosysteme und unberechenbares Wetter.

Die Menschen hier leben vor allem von Fischerei und Tourismus. Sie selbst haben kaum zur Entstehung der Treibhausgasemissionen beigetragen.

«Der Klimawandel trifft uns hart», sagt Ibu Asmania gegenüber SWI swissinfo.ch. «Wir haben uns immer um unsere Insel gekümmert. Heute leiden wir unter den Emissionen von Konzernen wie Holcim. Das ist unfair.»

Klage gegen Holcim

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Ibu Asmania, Mustaghfirin, Arif Pujianto und Edi Mulyono reichten 2023 beim Zuger Kantonsgericht eine Zivilklage gegen Holcim ein – wegen «Persönlichkeitsverletzung» durch den Beitrag des Konzerns zum Klimawandel. Es ist die erste Klage aus dem Ausland gegen ein Schweizer Unternehmen wegen seiner Rolle im Klimawandel. Es könnte ein internationaler Präzedenzfall werden.

Im September nahmen zwei Kläger an einer Vorverhandlung in Zug teil. Die drei Richter prüfen die Zulässigkeit der Klage; das Urteil wird bald erwartet. Zuvor war ein Schlichtungsversuch gescheitert, da Holcim eine Entschädigungszahlung verweigerte. Laut der Non-Profit-Organisation Climate Accountability Institute gehört Holcim zu den 180 Unternehmen mit den höchsten CO₂-Emissionen.

Der Konzern kommentierte das Verfahren nicht direkt, erklärte aber, die Frage der Emissionsrechte sei «Sache des Gesetzgebers, nicht eines Zivilgerichts». Klagen gegen einzelne Unternehmen seien kein wirksamer Weg, die globale Klimakrise zu lösen.

Darum haben sie und drei weitere Inselbewohner beschlossen, in der Schweiz eine Zivilklage gegen Holcim einzureichen. Sie sehen den Konzern als Mitverursacher der Klimakrise. Holcim soll die entstandenen Schäden ausgleichen und Schutzmassnahmen finanzieren – insgesamt mit 14'700 Franken. Ausserdem verlangen sie, dass der Konzern seine CO₂-Emissionen senkt.

Algenzucht nicht mehr möglich

«Als ich hierherkam, war es eine Fischerinsel», erinnert sich Ibu Asmania. Die Insel Pari war früher bekannt für ihre Algenzucht. Die Algen wurden international exportiert und waren eine wichtige Einnahmequelle. Sie dienten der Lebensmittel- und Pharmaindustrie. Heute ist ihre Produktion auf der Insel nicht mehr möglich.

Bewohnende der indonesischen Insel Pari treffen sich.
Legende: Die Terrasse von Ibu Asmanias Gästehaus ist stets gut besucht und dient als Treffpunkt für die Bewohner der Insel, die sich für Klimagerechtigkeit engagieren. Dorian Burkhalter / SWI swissinfo.ch

«Früher waren die Algen von guter Qualität», erläutert Asmania. «Heute werden sie wegen der hohen Wassertemperaturen weiss und sterben nach einer Woche.»

Tourismus als Chance

Wie viele andere musste Ibu Asmania vor zehn Jahren auf Tourismus umsteigen. Die Insel öffnete sich 2010 für Besucherinnen und Besucher. Doch auch diese Einnahmequelle ist bedroht – durch die Erosion der Strände, verursacht von stärkeren Gezeiten.

Ein Bewohner der Insel blickt Richtung Strand
Legende: Strandwächter Arif Pujianto sieht hilflos zu, wie sein Strand von Jahr zu Jahr kleiner wird. Dorian Burkhalter / SWI swissinfo.ch

«Das Meer hat in fünf Jahren neun Meter gewonnen», sagt Strandwächter Arif Pujianto. Die Insel hat rund zehn Prozent ihrer Fläche verloren und könnte nach Angaben regierungsunabhängiger Organisationen bis 2050 weitgehend unter Wasser stehen.

An Wochenenden besuchen etwa 2000 Menschen die Insel, die meisten kommen aus Jakarta und wollen der Grossstadt entfliehen. Bei Feiertagen können es bis zu 10'000 pro Woche sein, schätzt Pujianto.

Schwierige Bedingungen für Fischer

Durch den Klimawandel hat sich auch der Alltag der Fischer verändert. Die Fangmengen sind gesunken, vor allem in flachen Gewässern. Um die Mengen von vor 20 Jahren zu erreichen, müssen die Fischer weit hinausfahren – manchmal Dutzende Kilometer. Das macht den Beruf gefährlicher.

Fische auf dem Boden und daneben eine Katze
Legende: Weniger Fisch für mehr Sicherheit auf See – diese Entscheidung treffen einige Fischer. Dorian Burkhalter / SWI swissinfo.ch

«Unser Instinkt reicht nicht mehr aus, weil sich die Winde so schnell ändern», sagt der Fischer und religiöse Führer Mustaghfirin. Trotz der Risiken will er seinen Beruf nicht aufgeben. «Wir geniessen völlige Freiheit. Wer das kennt, kann nichts anderes mehr tun. Und wenn alle im Büro oder auf Baustellen arbeiten – wer bringt dann den Fisch auf den Tisch?»

Diskutieren Sie mit:

Auf der Insel glauben alle daran, dass die Schweizer Justiz ihnen recht geben wird. Und alle sind sich bewusst, dass ihr Fall als Beispiel für die Bewohner anderer kleiner Inseln dienen könnte. Gemäss der Weltbank könnten Klimakatastrophen bis 2050 in Ostasien und im Pazifikraum bewirken, dass etwa 48 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen müssen.

Rendez-vous, 19.11.2025, 12:30 Uhr; sten

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