Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Drohnenangriffe aus Russland «Die Schweiz kann keine Waffen aus der Ferne abwehren»

In der Nacht auf Mittwoch drangen rund 20 russische Drohnen in den polnischen Luftraum ein. Die polnische Armee reagierte mit militärischen Gegenmassnahmen. Wie gut die Nato-Länder für solche Angriffe gerüstet sind, weiss der NZZ-Militärexperte Georg Häsler.

Georg Häsler

Militärexperte und Oberst bei der Schweizer der Armee

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Georg Häsler ist Militärexperte bei der «Neuen Zürcher Zeitung». Er studierte klassische Philologie und ist Oberst der Schweizer Armee, eingeteilt im Heeresstab. 

SRF News: Was denken Sie darüber, dass Polen zusammen mit Nato-Verbündeten die billigen russischen Drohnen mit extrem teuren Raketen abgeschossen hat?

Georg Häsler: Das ist bemerkenswert, aber nicht überraschend. Denn weil die Drohnen wie zufällig hineingeflogen sind und nicht konkrete Ziele anvisiert haben, mussten Kampfjets aufsteigen. Diese mussten die 20'000 Dollar teuren Drohnen mit Raketen abschiessen, die ein Vielfaches kosten.

Wie wehrt man ganze Drohnenschwärme am effektivsten ab?

Es ist eine Kombination aus elektronischen Massnahmen, um die Drohnen von ihrem Kurs abzubringen oder zum Absturz zu bringen, und dem Beschuss aus 35-Millimeter-Flugabwehr-Kanonen. Die Ukraine setzt dafür Gepard-Panzer ein, die die Drohnen beschiessen und so herunterholen. Das ist Technik aus dem Kalten Krieg – aber aufgerüstet mit Künstlicher Intelligenz treffen sie russische Drohnen nun sehr effektiv.

Flugabwehrpanzer mit zwei Geschützrohren, drei Soldaten auf dem Fahrzeug.
Legende: Mit digital aufgerüsteten Gepard-Flugabwehrpanzern schiessen die Ukrainer viele der russischen Drohnen ab. Die Doppelgeschütze verschiessen 35-Millimeter-Munition. Imago/Kay Nietfeld

Wie gut ist die Nato auf einen allfälligen ernsthaften, massiven russischen Drohnenangriff vorbereitet?

Drohnen würden kaum allein eingesetzt werden. Sie sind das Mittel, um die Flugabwehrsysteme zu übersättigen und aus dem Konzept zu bringen. Die effektiven Schäden werden dann mit ballistischen Lenkwaffen oder Marschflugkörpern verursacht. Diese fliegen viel schneller und haben eine grössere Sprengwirkung.

Die Nato ist bei der Drohnenabwehr noch nicht so gut vorbereitet, wie sie es sein sollte.

Dies alles abzuwehren ist ein Zusammenspiel zwischen den erwähnten elektronischen Massnahmen und Flugabwehrsystemen wie Patriot oder Iris-T. Sicher ist: Die Nato ist in Bezug auf die Drohnenabwehr noch nicht so gut vorbereitet, wie sie es sein sollte. Gegenwärtig wird darüber diskutiert, eine eigentliche Drohnen-Schutzmauer hochzuziehen. Entscheidend ist dabei auch, dass man ein Frühwarnsystem hat, damit man über ein exaktes Lagebild verfügt.

Wo liegen hier die kritischen Punkte?

Die Europäer sind stark auf die USA und deren Satellitendaten angewiesen. Allerdings erkennen die Satelliten die Drohnen erst sehr spät und haben Mühe damit, deren Ziele vorauszuberechnen – denn Drohnen sind sehr wendig. Deshalb ist in der Nato bei der Aufklärung noch viel Arbeit zu tun.

Bei der Drohnenabwehr sind die Ukrainer am weitesten fortgeschritten.

Die Ukrainer sind hier am weitesten, denn auch Russland ist nur unzureichend in der Lage, Drohnen abzuwehren. Das zeigt die Ukraine immer wieder, indem sie kritische Infrastruktur in Russland erfolgreich mit Drohnen angreift.

In der Schweiz wird die Kritik an der Beschaffung der teuren F35-Kampfjets immer lauter. Es wird argumentiert, die Bedrohungslage aus der Luft habe sich verändert. Wie sehen Sie das?

Es ist kein Entweder-oder. Der F-35 ist viel mehr als ein Kampfflugzeug, er ist auch ein grosser Sensor, um Daten zu verarbeiten. Es braucht den Kampfjet quasi als Knotenpunkt der Luftverteidigung. Entscheidend ist aber auch, dass man ballistische Lenkwaffen und Marschflugkörper abwehren kann.

Es ist wichtig, dass die Schweiz von der Ukraine lernt. Und von der Nato.

Die Schweiz wartet auf ihre Systeme, die wegen des Ukraine-Krieges verspätet geliefert werden. Gegenwärtig kann die Schweiz keine Waffen abwehren, die aus der Ferne kommen. Hinzu kommt die Gefahr durch Drohnen, wo ein grosser Nachholbedarf bei Abwehrsystemen besteht. Es ist deshalb wichtig, dass man von der Ukraine und der Nato lernt und Abwehrsysteme beschafft, die die Drohnen herunterholen können.

Das Gespräch führte Daniel Hofer.

Rendez-vous, 12.9.2025, 12:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel