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Rituale zur Teufelsaustreibung Die Diözese Lugano und die Rückkehr des Exorzisten

Die Diözese Lugano hat offiziell einen neuen Exorzisten ernannt. Das Bedürfnis danach sei so gross, dass man die seit 2020 vakante Stelle neu habe besetzen müssen, lautet die Begründung. Wieso braucht es diese Praktiken heutzutage noch, die viele nur aus Erzählungen aus dem Mittelalter kennen?

«Ich habe Leute gesehen, die Nägel gespuckt haben. Ich kann es nicht beurteilen, aber ich habe es mit eigenen Augen gesehen.» Dies berichtet der Journalist Paolo Rodari. Er hat jahrelang Pater Amorth begleitet, den vielleicht bekanntesten Exorzisten Roms. Der ist inzwischen zwar verstorben, aber vielen Gläubigen in Erinnerung geblieben - und wohl auch einigen Nicht-Gläubigen, dank des Films «Der Exorzist des Papstes» mit Russell Crowe.

Paolo Rodari ist einer der Zeugen, der dem Radio und Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz (RSI) Einblick gab in eine Welt, die aus längst vergangenen Zeiten zu stammen scheint, derzeit aber gerade wiedererwacht - so sehr, dass die Diözese Lugano einen neuen Exorzisten ernannt hat. Die Stelle war seit 2020 vakant. Don Gabriele Diener soll jetzt diese Rolle übernehmen.

Ausschnitt aus der Reportage von RSI (mit dt. Untertiteln)

In den letzten Jahren suchten Tessiner Gläubige jenseits der Grenze Hilfe. Dort sind die Diözesen in Grenznähe sehr gut organisiert. In Como ist seit etwas mehr als einem Monat ein telefonischer Dienst für diejenigen in Betrieb, die einen Exorzisten suchen. «Seit der Bekanntmachung hatten wir innert weniger Tage über 100 Anrufe», berichtet der Koordinator des Dienstes, Don Marco Nogara.

Auch eine Person aus dem Tessin hat angerufen: «Ich brauche den Exorzisten, weil ich von jemandem verhext wurde, der wirklich seine Seele dem Teufel gegeben hat und Flüche schickt», sagt sie gegenüber RSI.

Beruf mit universitärer Ausbildung

Wie ist die Wiederbelebung des Exorzismus zu erklären? «Ich bin wirklich froh, Exorzist zu sein», sagt Don Ambrogio in Mailand. «Wohin würden diese Menschen sonst gehen? Sie würden zu Magiern gehen!» Er deutet damit an, wie weit verbreitet das Phänomen des Okkultismus ist, mit selbsternannten Heilern, die gegen Geld ein besseres Leben versprechen und denen die katholische Kirche durch die Ernennung von Exorzisten entgegenwirken will.

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Don Ambrogio ist ein Meister dessen, was heute als Beruf gilt, für den eine universitäre Ausbildung in Rom erforderlich ist. Die Exorzisten sind in einem internationalen Verband zusammengeschlossen, der offiziell vom Papst anerkannt ist und 900 Mitglieder zählt.

Man sei mit der Wissenschaft im Dialog, betonen die Priester. Der Psychiater Carlo Calanchini aus Lugano bestätigt, dass er den Exorzismus nicht fürchte: «Ich fürchte mehr die Scharlatane, sie sind gefährlicher.»

Deutschschweiz geht andere Wege

Nördlich der Alpen scheint der Teufel hingegen nicht mehr zu existieren. In den Diözesen der Deutschschweiz gibt es keine Exorzisten. In St. Gallen zum Beispiel versucht man, auf die Fragen der Gläubigen mit einem Team von Experten aus Religion und Wissenschaft zu antworten.

«Papst Franziskus sprach problemlos vom Teufel», sagt Franz Kreissl, Leiter des Pastoralamts am Bistum St. Gallen. «Ich ziehe es vor, das nicht zu tun, weil die Gefahr besteht, den Teufel als Antagonisten Gottes zu sehen.» Und er betont die Eigenverantwortung der Menschen: «Wenn wir die Besessenheit in der Psychiatrie betrachten, wissen wir, dass es sich um eine Störung handelt, die mit der eigenen Persönlichkeit zusammenhängt. Es geht also darum, die Menschen in die Verantwortung zu nehmen und sie den Weg finden zu lassen, ihr eigenes Übel zu heilen.»

RSI, Falò, 29.4.25, 20:45 Uhr

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