2020 ist das Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos durch einen Brand zerstört worden. Danach beschloss die Europäische Kommission, fünf neue Zentren auf verschiedenen griechischen Inseln zu bauen. Die Kosten beliefen sich auf 276 Millionen Euro – auch die Schweiz beteiligte sich an der Finanzierung. Das grösste dieser Zentren liegt auf der Insel Samos.
An einem Strand im Nordosten der Insel sind Überreste von Schlauchbooten zu sehen. Neben Olivenbäumen säumt Stacheldraht die Wege. Geflüchtete, die hier landen, werden im sogenannten «geschlossenen Zentrum mit kontrolliertem Zugang», kurz CCAC, einquartiert.
Das Zentrum liegt in einer Militärzone und wird streng überwacht. Die nächste Siedlung ist sieben Kilometer entfernt. Das gesamte Verfahren zur Prüfung der Asylanträge ist hier zentralisiert. Ausweisungen erfolgen im Schnellverfahren. Für die ersten 25 Tage sind Haftmassnahmen vorgesehen.
Der ganze Bericht über Samos von RSI mit deutschen Untertiteln:
Journalistinnen und Journalisten wird der Zugang in die CCAC systematisch verwehrt. Ein Antrag vom italienischsprachigen Radio und Fernsehen (RSI) wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der griechische Minister für Migration, gegen den wegen missbräuchlicher Verwendung europäischer Gelder ermittelt wird, zeitgleich mit dem Antrag zurückgetreten ist.
Kaum Schatten, kaum Medikamente
Das CCAC auf Samos ist für 4000 Geflüchtete ausgelegt und besteht aus Containern auf asphaltiertem Grund. Schatten gibt es kaum. Ein Drittel der dort lebenden Geflüchteten sind Kinder, rund ein Viertel Frauen. Wasser gibt es nur zweimal täglich, Warmwasser fehlt komplett, und im Winter gibt es keine Heizung. Auch die medizinische Versorgung ist prekär. Es gibt ein Projekt der Internationalen Organisation für Migration (IOM), das einen Arzt und zwei Pflegefachpersonen bereitstellt. Diese können jedoch keine rezeptpflichtigen Medikamente abgeben, und sie sind nur während der Bürozeiten verfügbar, an den Wochenenden gar nicht.
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Bild 1 von 5. Das geschlossene Zentrum mit kontrolliertem Zugang, kurz CCAC, in Samos. Bildquelle: RSI.
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Bild 2 von 5. An den Stränden von Samos liegen die Überreste von Flüchtlingsbooten. In den letzten zehn Jahren sind rund 3500 Menschen in der Ägäis ertrunken. Bildquelle: RSI.
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Bild 3 von 5. Das CCAC ist für 4000 Geflüchtete ausgelegt. Schatten gibt es kaum. Bildquelle: RSI.
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Bild 4 von 5. Sowohl die Wasser- als auch die Medikamentenversorgung ist prekär. Im Winter gibt es keine Heizungen. Bildquelle: RSI.
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Bild 5 von 5. Ein Arzt und zwei Pflegefachpersonen sind unter der Woche für die Geflüchteten zuständig. Dreimal in der Woche sind zudem Ärzte ohne Grenzen vor Ort. Bildquelle: RSI.
Die Organisation Ärzte ohne Grenzen kann das Lager dreimal pro Woche mit einer mobilen Ambulanz betreten. Sie berichtet von 100 neuen Krätzefällen pro Monat, Magen-Darm- und Atemwegserkrankungen. Der Europäische Rat für Flüchtlinge und Vertriebene, ein Verbund von 122 regierungsunabhängigen Organisationen, prangert die unwürdigen Bedingungen in Samos an.
Seit neun Monaten bezahlt Griechenland keine monatlichen Beihilfen an Asylsuchende aus. Darum können sich viele die notwendigen Busfahrten in die wichtigsten Einrichtungen nicht mehr leisten.
Das CCAC auf Samos geriet auch schon mehrfach ins Visier der Justiz. Einmal wurde es vom griechischen Verwaltungsgericht und zweimal vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt. Der Grund: Bei der Unterbringung der Minderjährigen fehlten angemessene Unterkünfte, und grundlegende Anforderungen der Menschenwürde seien nicht gewährleistet. Daraufhin wurden 200 Jugendliche evakuiert.