In der 13. Minute der ersten Halbzeit erzielt Ruslan Nedzelskyi per Kopfball ein Tor und nutzt dabei perfekt eine Ecke aus. Es ist das erste Tor für den Fussballklub Shaktar Stalevi in seinem Debütspiel in der League of Mighty, der ersten Fussballmeisterschaft in der Ukraine für Spieler, die im Krieg Amputationen erlitten haben. Die Stammspieler, die in Kiew gegen die Mannschaft von der Burevii Brigade antreten, haben alle eine Geschichte, die zeigt, was seit dreieinhalb Jahren in der Ukraine geschieht und welche Folgen der Krieg für die Soldaten an der Front hat.
Durch Fussball ins Leben zurückkämpfen (mit dt. Untertiteln):
Ruslan meldete sich zu Beginn der grossangelegten Invasion bei den Asow-Kämpfern und trat auf eine Mine. Valentyn Romaniuk – der als erster herbeiläuft, um mit ihm zu jubeln – wurde am 28. Februar 2023 bei Klishchiivka von einem Geschoss getroffen. In derselben Brigade wurde Mykhailo Yankovčuk am 18. Juni 2024 in Charkiw verletzt. Anatolii Basenko kämpfte in Mariupol.
«Wir wollen zeigen, dass das Leben weitergeht»
Die meisten Spieler seien Kriegsveteranen, erzählt Bohdan Bilko aus Kiew, der den Klub Shaktar Stalevi seit der Gründung der Mannschaft im Februar 2024 trainiert. Gegenüber dem Radio und Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz (RSI) sagt er: «Als ich von der Idee hörte, eine Amputierten-Fussballmannschaft zu gründen, war mir klar, dass ich so meinen kleinen Beitrag zu einer gemeinsamen Sache leisten könnte.» Das Projekt ist eng mit Shaktar Donetsk verbunden, einem der wichtigsten Fussballvereine Europas. Auch dieser spürt die Auswirkungen des Krieges seit 2014 und ist gezwungen, seither immer wieder in anderen Städten der Ukraine zu trainieren.
Diskutieren Sie mit:
Zehn ukrainische Vereine nehmen an der League of Mighty teil, die noch bis Dezember dauert und von der ukrainischen Fussballföderation unterstützt wird. «Das Projekt wurde im September letzten Jahres lanciert», erzählt Manager Bogdan Melnyk. Damit wolle man «denjenigen, die mit einer Amputation von der Front zurückkehren, zeigen, dass das Leben nicht zu Ende ist».
«Ich möchte, dass dieser Sport und unsere Mannschaft Fortschritte machen, sowohl in Kriegs- als auch in Friedenszeiten, weil es eine hervorragende Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung ist, sowohl für Veteranen als auch für Zivilisten», erzählt Trainer Bohdan Bilko. Es gebe Menschen, denen von Geburt an Gliedmassen fehlten oder die durch Unfälle eine Amputation erlitten hätten, ergänzt Manager Bogdan Melnyk. Auch sie möchte man mit diesem Projekt ansprechen.
Das Debütspiel von Shaktar Stalevi wird gegen Ende der ersten Halbzeit unterbrochen. Der Schiedsrichter pfeift ab, als um 11:42 Uhr Luftalarm über der Hauptstadt ertönt. Spielfeld und Tribünen leeren sich, Mannschaften und Schiedsrichter laufen Richtung Schutzraum. Zurückbleiben die aufgehängten Transparente und die zusammengerollten Fahnen.
Kaum ist der Alarm zu Ende, geht es weiter: Alle kehren aufs Feld zurück und Shaktar Stalevi beendet den ersten Match mit 4:0.