Für uns ist das eine Tragödie, sagte Wladimir Putin in Alaska über den Krieg in der Ukraine. Aber ein Frieden sei nur möglich, wenn die «Grundursachen» der Krise beseitigt würden.
Putin durfte vor den Augen der Welt ein beliebtes Schlagwort wiederholen, doch was er mit den «Grundursachen» des Ukraine-Kriegs meint, blieb – wie so oft – vage. Je nach Publikum wird Putin konkreter. Vor dem eigenen Volk spricht er von einem angeblichen «Genozid» an den Russischsprachigen in der Ukraine.
Maidan-Revolution und die Nato
Beim Besuch in China nannte Putin andere Ursachen. Die Krise habe nicht mit einem russischen Angriff begonnen, sagte er vor den Staatschefs Chinas, Indiens und Nordkoreas, sondern mit dem «Putsch» von 2014, der «vom Westen provoziert worden» sei, um «die Ukraine in die Nato zu ziehen».
Damit meint Putin die Maidan-Revolution, als das ukrainische Parlament den korrupten Präsidenten Viktor Janukowytsch nach monatelangen Protesten absetzte. Aber damals ging es nicht um die Nato, sondern um ein Abkommen mit der EU, von dem Janukowytsch unter russischem Druck zurückgekrebst war.
Ein Nato-Beitritt stand nicht zur Debatte und war in der Ukraine auch nicht mehrheitsfähig. Die Verfassung verbot dies gar. Dass Putin da schon Truppen auf die Krim und in die Ostukraine schickte, hatte also kaum mit einer unmittelbaren Gefahr zu tun.
Was ist mit Schweden und Finnland?
So auch 2022 bei der Grossinvasion. Damals konnte sich der Westen auf die Lieferung weniger Raketenwerfer nicht einigen, geschweige denn auf eine Aufnahme der Ukraine in die Nato. Die Nato-These wird auch geschwächt durch Putins überschaubare Reaktion auf den Beitritt der baltischen Staaten, Finnlands und Schwedens. Auch diese Länder sind Nachbarn Russlands.
Wenn Putin keine Ukraine in der Nato will, hat das wiederum eigene Grundursachen. Putin hat oft gezeigt, dass die Ukraine für ihn eine besondere Bedeutung hat. Vor anderthalb Jahren etwa ignorierte er eine Frage des US-Moderators Tucker Carlson zur Nato-Bedrohung.
Putin sprach stattdessen vom Mittelalter, von ukrainischer und russischer Geschichte. Das hatte er auch gleich vor der Invasion 2022 getan.
«Die Ukraine hatte nie eine Tradition der stabilen Staatlichkeit», sagte er etwa, oder: «Die heutige Ukraine wurde voll und ganz von Russland erschaffen.»
Ukraine als Unfall der Geschichte
Putins Ansicht ist klar. Die Ukraine sei keine echte Nation, sondern ein Unfall der Geschichte. Nun werde dieses Konstrukt gegen Russland verwendet. «Auf unserem historischen Territorium entsteht ein feindliches Antirussland», sagte er.
Zentral sind also nicht Aktionen des Westens oder der Ukraine. Putin geht es um das Selbstverständnis Russlands, zu dem die Ukraine eigentlich gehöre. Das Ziel der Grossinvasion war von Anfang an, die demokratisch gewählte ukrainische Regierung durch Moskau-hörige Machthaber zu ersetzen.
So forderte Putin das ukrainische Militär auf, die Macht in die eigenen Hände zu nehmen, statt sich von einer «Bande von Drogensüchtigen und Neonazis», wie er Wolodimir Selenskis Regierung nannte, instrumentalisieren zu lassen.
Einen erzwungenen Regimewechsel dürfte er nach wie vor anstreben. Dass sich die Ukraine von Moskau abwendet, kann Putin nicht hinnehmen. Darum lehnt er Sicherheitsgarantien für Kiew ab, selbst ohne Nato. Hat die Ukraine einen westlichen Schutzschild, kann Moskau sie endgültig nicht mehr kontrollieren.