Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Weg aus dem Drogenhandel Ex-Dealer Tess: «Das Gefängnis ist eine Universität des Bösen»

Er ist in der Hierarchie des Drogenhandels hoch aufgestiegen, dann ganz tief gefallen. Er war jahrelang im Gefängnis und zog dann die Reissleine. Nun hat Tess ein Buch geschrieben und will Jugendliche aufklären.

Der Drogenmarkt in Europa ist in Bewegung. Der vor wenigen Monaten veröffentlichte EU-Drogenbericht zeigt: Der Markt wird härter, chemischer und unberechenbarer. Parallel dazu intensiviert sich die Gewalt, wie in Grenoble unweit der Schweizer Grenze: So gab es dort vor einigen Monaten mehrere tödliche Schiessereien im Zusammenhang mit dem Drogenhandel.

Mittendrin war lange Zeit auch Tess. Der mittlerweile 38-Jährige hat in Paris mit Crack und Kokain gedealt. Er ist in der Drogenszene hoch aufgestiegen, war ganz unten und hat sich dann herausgekämpft. Jetzt hat er dem Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) seine Geschichte erzählt.

Ein Jahr für 0.8 Gramm

Tess wächst als Sohn von Eltern aus Mali in einem Pariser Quartier auf, in dem der Drogenhandel zum Alltag gehört. Zu dieser Zeit ist er ein guter Schüler, er konsumiert nicht, dealt nicht.

RTS-Gespräch mit Tönen von Tess (mit dt. Untertiteln)

Alles ändert sich an dem Tag, als er im Quartier mit zwei Freunden kontrolliert wird, die bereits der Polizei bekannt sind. Die finden ein weggeworfenes Crack-Kügelchen. Einer seiner Freunde schlägt Tess vor, sich selbst anzuzeigen: Da er der Einzige ist, der noch keine Vorstrafen hat, würde er seine Kumpel retten, ohne selbst viel zu riskieren. Der junge Mann akzeptiert, gerät jedoch an einen Polizisten, der den Ruf hat, besonders viele hinter Gitter bringen zu wollen. Dieser wird später für seine unorthodoxen Methoden verurteilt.

Das Gefängnis ist eine Art Universität des Bösen. Man hat Zugang zu Personen, mit denen man draussen nie in Kontakt gekommen wäre.
Autor: Tess Ehemaliger Drogenhändler

Tess kassiert eine vergleichsweise harte Strafe: ein Jahr Gefängnis ohne Bewährung in Fleury-Mérogis, das als grösstes Gefängnis Europas gilt. Da ist er 21 Jahre alt.

Diskutieren Sie mit:

Als er herauskommt, will Tess seiner Mutter die Anwaltskosten zurückzahlen. Wie er zu schnellem Geld kommt, weiss er nun. Im Gefängnis hat er Dealer kennengelernt und beginnt jetzt selbst, Crack zu verkaufen. Lang geht das nicht gut, kurz nach seiner Entlassung wird er erneut verhaftet. «Das Gefängnis ist eine Art Universität des Bösen. Man hat Zugang zu Personen, mit denen man draussen nie in Kontakt gekommen wäre», sagt Tess.

Der Tod seines Bruders war der Wendepunkt

Um ihn herum wird die Gewalt bedrückender. Als sein grosser Bruder stirbt, beschliesst er, alles zu stoppen. Im «Austausch» für seine Freiheit soll Tess für seinen brasilianischen Händler 23 Kilo Kokain über die Türkei schmuggeln.

Schwarz-weiss Bild; Jugendliche stehen in einer Gruppe, mit Gesichtsmasken und Kapuzen.
Legende: Der Pariser Bezirk Goutte d'Or im Oktober 2020. Fatiha Khettab von SOS Migrants Mineurs begleitet junge marokkanische Minderjährige, um ihnen Rat und Hilfe zu bieten. Hans Lucas via AFP – HERVE LEQUEUX

Dort fliegt er auf, wird verhaftet und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Bedingungen seien schlimm gewesen: vierzig Gefangene in einer Zelle, eine Toilette für alle, extreme Gewalt. Nach sieben Jahren wird er nach Frankreich ausgeliefert und muss dort noch drei Jahre sitzen, nachdem seine Haft verkürzt wurde. 2017 wird er im Alter von 30 Jahren entlassen.

Prävention statt Repression

Nach seiner Freilassung hat er sein Leben umgekrempelt. Er hat mit einem Freund in der Musikbranche gearbeitet, dann ein Buch herausgebracht, dessen Verfilmung in Arbeit ist. Tess sagt, er wolle seine Geschichte erzählen, um den Jugendlichen klarzumachen, dass Dealen ein Weg ohne Ausgang ist.

Während Frankreich seine Repression gegen Drogenhändler verschärft, die nun in speziellen Gefängnissen isoliert werden, ist der Ex-Dealer davon überzeugt, dass es Prävention bereits vom jüngsten Alter an braucht: «Man muss den Jugendlichen verständlich machen, dass es Konsequenzen gibt. Das ist viel nützlicher, als einige Händler zu isolieren.»

Holen Sie sich SRF News in Ihr Whatsapp

Box aufklappen Box zuklappen

Die wichtigsten und spannendsten News jetzt bequem auf Whatsapp – einmal morgens (Montag bis Freitag), einmal abends (die ganze Woche): Abonnieren Sie hier den SRF-News-Kanal auf Ihrem Smartphone.

 

RTS Tout un monde; 28.8.2025; 8:13 Uhr;brus

Meistgelesene Artikel