«Ich habe mich geekelt, bin erschrocken und habe mich gefragt, was mit mir los ist», sagt Raphael über den Moment, als er ein Brennen und eine weisse Flüssigkeit in seinem Genitalbereich feststellte. Auch Nora hatte sich mit einer sexuell übertragbaren Krankheit angesteckt: «Mir war schwindelig und ich hatte Bauchschmerzen», erzählt sie.
Die Fallzahlen von sexuell übertragbaren Infektionen (kurz: STIs) steigen in ganz Europa. Auch in der Schweiz haben sich die Fälle von Chlamydien, Syphilis und Gonorrhö vervielfacht. Die EU-Gesundheitsbehörde (ECDC) zeigt sich besorgt und fordert europaweit mehr Aufmerksamkeit für das Thema, eine wirksamere Prävention und einen besseren Zugang zu Tests.
Viele kennen sexuell übertragbare Krankheiten nicht
Eine repräsentative Umfrage des Bundesamts für Gesundheit (BAG) zeigt, dass fast 80 Prozent der Befragten HIV kennen. Aber weniger als 50 Prozent konnten demnach andere Infektionen nennen. Gemäss BAG verdeutlicht dies, wie wichtig die Sensibilisierung nach wie vor ist.
Nun will der Bund verstärkt auf andere sexuell übertragbare Krankheiten aufmerksam machen. Das Ziel: Bis 2030 soll es keine neuen Übertragungen von HIV sowie des Hepatitis-B- und C-Virus mehr geben und die Ansteckungen mit STIs sollen sinken.
Auch die Stadt Zürich hat auf die steigenden Fallzahlen reagiert. Seit über einem Jahr bietet sie im Rahmen eines Pilotprojektes Gratistests für Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher bis 25 Jahre an. Die Nachfrage sei gross, sagt die Stadt.
87 Prozent der Teilnehmenden gaben in einem Fragebogen an, dass die Kosten das grösste Hindernis seien, um sich testen zu lassen. Auch «SRF Impact» befragte junge Menschen nach den Gründen, warum sie sich nicht testen lassen. Neben Bequemlichkeit, Unwissenheit, Scham und Angst wurden die Kosten genannt.
Obwohl viele STIs asymptomatisch verlaufen, übernehmen die Krankenkassen die Kosten in der Regel nur bei Auftreten von Symptomen. Je nach Kanton und Institution können umfassende Tests zwischen 100 und 300 Franken kosten. Für junge Menschen kommt hinzu, dass die Krankenkassenabrechnung oft über die Eltern läuft, was mit Scham verbunden sein kann.
Es geht darum, solche Krankheiten so früh wie möglich zu erkennen.
Dabei seien solche Tests wichtig, um Infektionsketten zu unterbrechen: «Es geht darum, solche Krankheiten so früh wie möglich zu erkennen und zu behandeln, damit sie sich nicht weiterverbreiten», sagt Oliver Vrankovic, Leiter Beratung beim Checkpoint Zürich – einer der Orte, die die Gratistests der Stadt Zürich anbieten.
Der Anstieg der Fallzahlen ist laut ihm auch auf die vermehrten Tests zurückzuführen: «Je breiter wir testen, desto mehr finden wir natürlich auch.» Bei Gonorrhö hingegen scheine es tatsächlich mehr Infektionen zu geben, schreibt die Aids-Hilfe-Schweiz. Das ECDC vermutet zudem, dass mehr Menschen ein risikoreiches Sexualverhalten an den Tag legen, etwa durch häufigen Wechsel der Sexualpartner.
Wenn ich mit den Leuten darüber spreche, reden sie sehr offen.
Für Nora als Betroffene ist das Thema nach wie vor schambehaftet. «Aber wenn ich mit Leuten darüber spreche, reden sie sehr offen.» Auch Raphael spricht STIs in seinem Umfeld immer wieder an. Die Leute würden im ersten Moment zwar häufig überrascht reagieren, aber «genauso überraschend ist es, wenn es dich plötzlich auch betrifft».