Darum geht es beim Trend: Nächtliche Mundpflaster oder mit einem Gürtel unter Kinn und Nacken durch die Luft schwingen: Unter dem Sammelbegriff «Sleepmaxxing» (in etwa: den Schlaf optimieren) schüren Influencer eine wachsende Obsession. Doch nicht alle kursierenden Empfehlungen sorgen tatsächlich für erholsame Nachtruhe: Hinter dem Trend verbergen sich viele dubiose Behauptungen ohne jede wissenschaftliche Grundlage – die zum Teil sogar tödlich enden können.
Je mehr wir versuchen, den Schlaf mit Tricks oder starren Routinen zu kontrollieren, desto wachsamer und gestresster werden wir.
Das steckt hinter dem «neck swinging»: Eines der vermeintlichen Wundermittel gegen Schlaflosigkeit ist das sogenannte «neck swinging», das insbesondere in chinesischen Onlinediensten populär wurde: Dabei hängen sich Menschen mit gepolsterten Gürteln unter dem Kinn und am Nacken in die Luft und lassen ihre Körper hin und her schwingen. «Diejenigen, die es ausprobieren, behaupten, dass sich ihre Schlafprobleme deutlich verbessert haben», heisst es in einem über elf Millionen Mal aufgerufenen Video im Onlinedienst X – Beweise dafür gibt es nicht. Im Gegenteil: Seit ein chinesischer Staatssender mindestens einen Todesfall im Zusammenhang mit dem «neck swinging» meldete, schlagen Experten Alarm.
Ein zugeklebter Mund gegen Schnarchen: Eine weitere beliebte Praxis unter Schlafoptimierern ist das sogenannte «mouth taping», das nächtliche Zukleben des Mundes mit einem speziell entwickelten Pflaster. Laut dem Neurobiologen Albrecht Vorster ist die gestörte Atmung eine der häufigsten Schlaferkrankungen, die es gibt. Und eine verbesserte Nasenatmung könne daher den Schlaf erheblich verbessern. Zahlreiche Influencerinnen und Influencer empfehlen ein solches Pflaster zur Förderung der Nasenatmung. Demnach sorge das «mouth taping» für besseren Schlaf, fördere die Mundgesundheit und verringere Schnarchen – auch diese Angaben bleiben ohne jede Beweise.
Das sind die Stimmen aus der Wissenschaft: Eine Untersuchung der US-Universität George Washington kam zum Schluss, dass diese Behauptungen für besseren Schlaf wissenschaftlich nicht belegt werden können. Medizinische Fachleute warnen zudem, dass das nächtliche Zukleben des Mundes gefährlich sein könnte – insbesondere für Menschen, die an Schlafapnoe leiden. Doch es gibt auf dem Gebiet noch zu wenige Studien, um sich ein verlässliches Bild zur Wirksamkeit zu machen.
Der Neurobiologe Albrecht Vorster sagt: «Im Inselspital kommen immer mehr Menschen mit so einer Obsession für guten Schlaf zu uns.» Er kenne jedoch niemand, der sich schon seit einem Jahr seinen Mund zuklebt. «Je mehr wir versuchen, den Schlaf mit Tricks oder starren Routinen zu kontrollieren, desto wachsamer und gestresster werden wir», sagt die britische Schlafexpertin Kathryn Pinkham.