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Langlebigkeits-Forschung Longevity – der Hype ums schöne lange Leben

Superreiche aus dem Silicon Valley schlucken unzählige Pillen mit dem Wunsch, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Viel Forschung gibt es aber auch zu alternativen Altersbremsen, jenseits von Pillen und Pülverchen, die für alle Menschen zugänglich sind.

Das Thema gesunde Langlebigkeit ist in der breiten Bevölkerung angekommen. Vor allem in den letzten drei Jahren beobachte sie diesen Trend, sagt die Altersforscherin Heike Bischoff-Ferrari. Doch da gebe es ein Problem: «Es herrscht ein wenig Wilder Westen, alle können alles bewerben, Informationen sind schwierig einzuordnen».

Dabei seien sich internationale Altersforscherinnen und -forscher einig: Bis jetzt gebe es noch keine Wunderpille und keine Therapie, deren Wirkung beim Menschen belegt sei. Also weder das Immunsuppressivum Rapamycin oder das Diabetes-Medikament Metformin, noch Blutplasma, die in sozialen Netzwerken angepriesen werden. Sie alle zeigen zwar Effekte bei Tieren, Nachweise über die Wirksamkeit beim Menschen fehlen aber.

Details zu Rapamycin

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Rapamycin wurde erstmals in einer bestimmten Bakterienart entdeckt – auf Rapa Nui, der Osterinsel. Daher sein Name. Seit den 80er-Jahren kommt es bei Organtransplantationen zum Einsatz, weil es das Immunsystem unterdrückt und so dafür sorgt, dass der Körper fremde Organe nicht abstösst.

2003 zeigte ein Labor in Fribourg erstmals, dass es das Leben von Würmern verlängert. Einige Jahre später, 2009, wurde der Effekt dann auch bei Säugetieren, bei Mäusen nachgewiesen. Unterdessen ist klar, dass es bei unterschiedlichsten Organismen funktioniert und von allen bekannten Anti-Aging-Medikamenten das effektivste ist.

Nicht zuletzt darum ist es wohl auch das populärste Medikament in der Langlebigkeits-Szene. Wie viele Personen das Medikament «off-label» nutzen ist aber nicht klar. «Off-label» darum, weil Rapamycin nicht als Lebenselixier beim Menschen zugelassen ist. Klinische Studien, die zeigen würden, dass es uns Menschen länger leben lässt, gibt es nämlich keine.

Dieser «Wilde Westen» bereite ihr Sorgen. Nicht zuletzt darum habe sie gemeinsam mit anderen Forschenden entschieden, ein Longevity-Netzwerk und einen Campus zu gründen: Den Schweizer Campus für gesunde Langlebigkeit. Dieser befindet sich aktuell im Aufbau, und zwar in Basel, wo Heike Bischoff-Ferrari seit Anfang Juli an der Universität und der Universitären Altersmedizin Felix Platter forscht.

Gesundes Leben für alle

Das Ziel: Die gesunden und aktiven Jahre auszuweiten und chronische Krankheiten ans Lebensende zu schieben. Ein erster Schritt ist, herauszufinden, wie alt jemand biologisch gesehen ist. Dafür verwendet Bischoff-Ferrari sogenannte Biomarker im Blut.

Eiweisse zum Beispiel, die zeigen, wie alt einzelne Organe sind. Ob jemand etwa ein schnell alterndes Gehirn hat und damit ein höheres Risiko für Demenz. Dieses Wissen macht es möglich, früher Gegensteuer zu geben, also die Gesundheit zu fördern.

Und das ganz ohne Pillen – auch wenn es langweilig klingen mag: Mit regelmässiger Bewegung, ausreichend Schlaf, sozialen Interaktionen, gesunder Ernährung, Achtsamkeitstraining und mit dem Lernen von neuen Dingen. Keine neuen Tipps, aber man könne deren Effekte heute besser messen. Sie alle verlangsamen den biologischen Alterungsprozess.

Auch neue Lösungen sind gefragt

Dieses Wissen will die Altersforscherin mit dem Campus und der dazugehörigen Campus-Klinik für die breite Bevölkerung nutzbar machen. Gleichzeitig prüft sie auch neue Lösungen, indem sie klinische Studien in grossen Datensätzen, sogenannten Biobanken, simuliert.

Das geht so: Man sucht aus bereits vorhandenen Datensätzen alle Menschen heraus, die ein bestimmtes Medikament einnehmen. Diese Gruppe vergleicht man dann mit jenen Menschen, die das Medikament zwar nicht nehmen, ansonsten aber sehr ähnlich sind. Dieser Vergleich gebe erste Hinweise, ob die geprüften Medikamente das Leben tatsächlich verändern. Könne man mit dieser Methode Effekte nachweisen, sei es einfacher, Geld für die eigentlichen klinischen Studien zu erhalten.

Warum klinische Studien in der Altersforschung so schwierig sind

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Klinische Studien sind für Krankheiten gedacht. Altern als solches, gehört da nicht dazu. Darum ist es auch nicht möglich, ein Medikament zuzulassen, das nur den Alterungsprozess beeinflusst. Das wiederum macht es schwierig, Geld für eine klinische Studie aufzutreiben.

Für Pharmafirmen beispielsweise gibt es so kaum einen Anreiz zu investieren. Einige Altersforschende versuchen darum, Altern als Krankheit einstufen zu lassen.

Dass es Lösungen braucht und wichtig ist, das Altern besser zu verstehen, zeigt der Blick in die Statistik: Heute sind mehr Menschen älter als 65, als es Kinder unter 5 Jahren gibt. Und: Die mittlere Lebenserwartung in Europa liegt bei 80 Jahren, die gesunde Lebenserwartung bei 64. Diese Lücke wolle man verkleinern, so Bischoff-Ferrari, und das gesunde Leben verlängern.

Wissenschaftsmagazin, 2.8.2025, 12:40 Uhr

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