Wer mit der Vorweihnachtszeit nur Besinnlichkeit und Ruhe verbindet, ist wahrscheinlich kein Darts-Fan. Mit der WM beginnt nämlich Mitte Dezember ein verrückter, rauschhafter Sportevent.
Grölende, grösstenteils kostümierte Fans, viele Liter Bier und grosser Nervenkitzel. Die Darts-WM – das ist «wie eine Mischung aus Fussballstadion, Oktoberfest und Fasnacht». So beschreibt es Philip Brzezinski, Experte beim Fernsehsender Sport 1 und ausserdem Moderator bei der PDC, also der Organisation, die die Profi-Events des Darts in Europa ausrichtet.
«Belli» schreibt Darts-Geschichte
Darts ist nicht erst seit diesem Jahr ein Hype-Sport. Neu ist aber, dass auch die Schweiz etwas zu feiern hat im «Ally Pally», wie die Fans den WM-Austragungsort liebevoll nennen.
Wir machen sicher auch zwei, drei Trainingsessions. Und sonst kann man auch runterfahren – und einfach ein bisschen geniessen.
Den ersten Schweizer Sieg bei einer Darts-WM feierte am Mittwochabend Stefan «Belli» Bellmont. Der 36-Jährige stammt aus Cham, führt in Zug ein Darts-Lokal – und gilt schon länger als das Aushängeschild der Schweizer Darts-Szene. Bei der WM in London triumphierte er nun gegen eine echte Ikone, den fünfmaligen Weltmeister Raymond van Barneveld aus den Niederlanden.
Wie Stefan Bellmont nach seinem Coup geschlafen hat? «Ziemlich kurz», sagt er zu Radio SRF. Er hätte den Sieg gestern noch mit seinem Team gefeiert. Auf die nächsten Tage blickt der Schweizer Hoffnungsträger eher entspannt. «Wir machen sicher auch zwei, drei Trainingsessions. Und sonst kann man auch runterfahren, die Stadt anschauen – und einfach auch ein bisschen geniessen.» An der WM geht es für ihn am Sonntagnachmittag weiter, gegen den Australier Damon Heta.
Faszination Darts
«Darts ist wie 90 Minuten lang Penaltyschiessen», sagt TV-Experte Philip Brzezinski. Was er damit meint: Schnelle Entscheidungen, Schlag auf Schlag, immer wieder nacheinander.
Darts ist eine absolute Mentalsportart.
Die ausgelassene Stimmung im «Ally Pally» spürt man selbst durch den Fernseher. Was die Spielerinnen und Spieler währenddessen für Höchstleistungen abrufen, rückt da schon mal in den Hintergrund. Darts – das ist eine «absolute Mentalsportart», wie es Philip Brzezinski ausdrückt. Die Spieler müssen Pfeil um Pfeil in ein winziges Ziel bringen – während das Publikum eskaliert.
Darts in der Schweiz
Die Schweiz ist wohl noch keine Darts-Nation, auch nach Stefan Bellmonts Auftaktsieg. «Das dauert immer so ein bisschen, bis solche Prozesse auch Früchte tragen», erklärt TV-Experte Philip Brzezinski. «Bellis» Auftritt bei der WM dürfte zwar einige junge Schweizerinnen und Schweizer motivieren, die Dartpfeile in die Hand zu nehmen. Aber: «Es vergeht natürlich noch das ein oder andere Jahr, bis die dann oben ankommen.»
Der Schweizerische Dartsverband SDA verzeichnet schon jetzt einen Zuwachs. Vizepräsident Andy Infanger erklärt: «Es hat in den letzten Jahren sehr viel Zuwachs gegeben, vor allem auch im Jugendbereich.» Die Nummer eins bleibe aber Stefan Bellmont: Es sei «im Moment in der Schweiz schon einzigartig», auf was für einem Niveau Bellmont spiele.
Dem gefällt seine Rolle als Zugpferd. Bei Turnieren in der Schweiz versucht Stefan Bellmont ins Gespräch zu kommen, Tipps zu geben – und so eine Art Vorbild zu sein: «Wir sind so ein kleines Land mit so wenig Dartspielern. Da ist es umso schöner, wenn man über das Thema reden und diskutieren kann.»