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Trügerische Sicherheit Kinder per Smartwatch tracken – ist das eine gute Idee?

An immer mehr Kinderhandgelenken tauchen sie auf: Smartwatches für Kids. Sie sind lustig und bunt und bieten witzige Spiele und Schrittzähler. Die Hauptfunktion dieser Uhren ist aber eine andere: die Überwachung der eigenen Kinder.

Mit Kindersmartwatches können Eltern ihre Kinder jederzeit orten und Kinder können ihre Eltern je nach Modell via SOS-Knopf oder Videoanruf erreichen.

Das Ziel: Mehr Sicherheit für die Kids. Aber macht so eine elektronische Fussfessel fürs Handgelenk die Kinder wirklich sicherer oder bewirkt sie möglicherweise sogar das Gegenteil? Hier gibt es Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Ist das sicher?

Antwort: Nein.

Was immer die Schreckensszenarien sind, die Eltern den Schlaf rauben: Peilsender helfen nicht dagegen.

Kein Tracking kann ein Verbrechen oder einen Unfall verhindern.
Autor: Chantal Billaud Stv. Geschäftsleiterin Schweizerische Kriminalprävention

Dafür setzen Smartwatches die Kinder möglicherweise einem zusätzlichen Risiko aus, und zwar wegen der mangelnden Cybersicherheit vieler der Uhren.

Studien zeigen, dass man bei vielen Smartwatches den Standort von fremden Kindern abrufen kann. Damit weiss man, wo ein Kind wohnt, wo es zur Schule oder ins Training geht und wann es wo durchläuft. Auch kann man je nach Modell auf Mikrophon und Kamera zugreifen und sogar eine Nachricht im Namen der Eltern an die Uhr des Kindes schicken.

Studien zur Cybersicherheit (englisch)

Das klingt erschreckend, tatsächlich ist es aber unwahrscheinlich, dass ein Krimineller diese Sicherheitslücken ausnutzt. Sehr real hingegen ist die Gefahr, dass sensitive Daten der Kinder beim Hersteller der Smartwatch oder bei Datenbroker landen. Solche Daten können dann verwendet werden, um Persönlichkeitsprofile der Kinder zu erstellen und sie später zu Werbezwecken zu manipulieren.

Ist das legal?

Antwort: Nein.

Dürfen Eltern ihre Kinder überhaupt tracken? Kinder haben Anspruch auf Privatsphäre – auch gegenüber ihren Eltern. Bis sie selber urteilsfähig sind (mit etwa zwölf Jahren), sind die Eltern dafür zuständig, diese Privatsphäre zu schützen. Das bedeutet nicht, dass die Eltern tun können, was sie wollen: Die Entscheidung muss immer zum Wohl des Kindes gefällt werden.

Auch der Datenschutz ist ein Thema. Werden Daten gesammelt, muss das transparent gemacht werden. Kinder können die Folgen von «Big Data» nicht selber einschätzen, deswegen müssen auch hier die Eltern darauf achten, dass nicht unnötig Daten gesammelt werden, dass mit den Daten sorgfältig umgesprungen wird und sie nicht in falsche Hände geraten.

Zuletzt stellt sich die Frage der Erziehung. Diese muss sich nach dem Kindeswohl richten.

Ist das gut fürs Kind?

Antwort: Nein.

Laut Experten ist bei der Verwendung von Smartwatches Vorsicht geboten, denn diese können die Entwicklung des Kindes beeinträchtigen. Ein Kind braucht Freiräume, um selbständig zu werden. Dazu gehört, Verantwortung zu übernehmen, Risiken einzuschätzen und Herausforderungen zu meistern.

All das ist mit einer Smartwatch am Handgelenk weniger gut möglich. Kinder neigen dazu, bei der kleinsten Unstimmigkeit die Eltern anzurufen, statt sich mit der Situation auseinanderzusetzen und selber Lösungen zu suchen. Zum Beispiel: Ein Kind, das in der Kita hinfällt, ruft seine Mami anstatt Hilfe bei den Betreuern zu suchen.

Wenn das Kind permanent eine Smartwatch bei sich hat, entwickelt es ein Verhalten, das sehr stark mit den Eltern verknüpft ist.
Autor: Daniel Betschart Programmverantwortlicher Medienkompetenz bei Pro Juventute

Besser sei es, mögliche Szenarien mit den Kindern durchzusprechen: Wie könnte es sich selber helfen, an wen könnte es sich vor Ort wenden? Wenn die Smartwatch zum Einsatz kommt, dann nur im eng definiertem Rahmen: Wenn das Kind das erste Mal alleine den Bus zu den Grosseltern nimmt zum Beispiel. Und da stellt sich dann die Frage, ob eine Smartwatch die beste Lösung ist.

Ablenkung am Handgelenk

Box aufklappen Box zuklappen

Viele Smartwatches bieten Kindern kleine Spiele an. Games können toll sein – bei der Smartwatch ist diese Ablenkung aber immer verfügbar und immer im Blickfeld.

Das kann im Unterricht stören. Deswegen sind Smartwatches in vielen Schulen bereits verboten: Sie müssen im Thek verstaut werden.

Damit sind aber die Probleme in der Freizeit nicht gelöst. Die Smartwatches bieten Kindern eine Möglichkeit, Langeweile zu vermeiden. Das kennen wir als Erwachsene: Der Griff zum Smartphone geschieht automatisch schon beim Anflug einer Langeweile. Das ist bei uns Erwachsenen nicht gut, bei Kindern ist es aber schlimmer: Etwas Langeweile hie und da ist nämlich wertvoll für die Entwicklung.

Radio SRF 3, 12.12.2023 9:15 Uhr

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