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Nach zwei Jahren Krieg: Einblick in den Alltag ukrainischer Soldaten
Aus 10 vor 10 vom 23.02.2024.
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2 Jahre Krieg in der Ukraine Als Putin das Glück des Mauerfalls zerbrach

Die Panzer standen auf dem betonierten Vorplatz einer Kaserne im Schweizer Mittelland, Ungetüme aus Stahl, Zeugen einer vergangenen Zeit. Es war die Winter-Rekrutenschule 1991, nur 14 Monate nach dem Fall der Berliner Mauer, nach dem Ende des Kalten Krieges. Wir Rekruten lauschten den Worten eines Offiziers.

«Diese Panzer», sagte der Vorgesetzte, «werden wir nie mehr brauchen». Einen konventionellen Krieg werde es in Europa nie mehr geben. Wir übten dann noch «Abstreifen der Leiche» mit dem Bajonett und in alte Militärhemden gehüllten Strohsäcken. Aber auch das, sagte der Offizier, würden wir nie mehr brauchen. So hätten unsere Grossväter Krieg geübt. Aber «schön, dass Sie es einmal gemacht haben».

Dann testeten wir noch die Gasmasken mit einem Reizstoff, der nach Banane roch. Mehr über den Krieg gab es nicht zu erfahren. War ja offenbar auch nicht mehr nötig.

Mit dem blutigen Jugoslawien-Krieg war der Frieden in Europa zwar noch eine Zeitlang auf der Kippe. Doch dann verschwand der Krieg definitiv aus Europa. Die folgende wohl glücklichste Phase des Kontinents aber endete spätestens mit dem Überfall auf die Ukraine. «Nie mehr» war vorbei.

Ukrainerinnen und Ukrainer auf der Flucht

Der deutsche Bundeskanzler Scholz sprach von einer «Zeitenwende». Die Bahnhöfe in Warschau, Berlin und Zürich – voll mit Geflüchteten aus der Ukraine. Vor allem Frauen und Kinder. Verstörte Menschen, herauskatapultiert aus einem normalen Leben mit normalen Problemen. Bis heute haben 6.5 Millionen Menschen die Ukraine verlassen, fast vier Millionen sind innerhalb des Landes auf der Flucht.

In der Schweiz öffneten Menschen ihre Stuben und ihre Herzen, nahmen Flüchtlinge auf. Spendeten viel Geld. Es war wie in den Fünfziger- und Sechzigerjahren mit Geflüchteten aus Ungarn und der Tschechoslowakei. Die Schweiz half in der Not. Im Krieg.

Ausharren in Schützengräben wie im Ersten Weltkrieg

In der Ukraine litten und leiden Hunderttausende. Laut UNO-Angaben starben mindestens 10'000 Zivilisten, darunter 570 Kinder. Unzählige wurden verletzt. Drangsaliert, beschossen, bedrängt, gefoltert.

Die Welt sah die Bilder aus Butscha. Massengräber, voll mit Leichen. Spätestens jetzt war allen klar: Das Zeitalter des Friedens ist vorbei.

An der Front harren Soldaten in Schützengräben aus, kämpfen da um ein Dorf und dort um ein paar Meter. Schützengräben. War das nicht der Erste Weltkrieg? Verdun? Mann gegen Mann. In unseren Köpfen waren die Bilder von so etwas bis jetzt nur geschichtsbuch-schwarz-weiss. Dass so etwas in Farbe, in unserer Zeit, zu uns nach Europa zurückkommen könnte: unmöglich.

Die Auswirkungen von Putins Krieg

Eine Perspektive auf einen Frieden gibt es zwei Jahre nach dem Überfall Putins nicht. Westliche Länder unterstützen die Ukraine mit Waffen, innenpolitisch ist das nicht immer einfach. Putins Krieg tobt an der Front – aber er frisst sich in die westlichen Demokratien, er destabilisiert. Und er ist unfassbar teuer. Das Kieler Institut für Wirtschaft schätzt die Ausgaben des Westens für humanitäre, militärische und finanzielle Hilfe für die Ukraine auf mehr als 250 Milliarden Franken. Auf russischer Seite, schätzt das US-Verteidigungsministerium, wurden bisher 211 Milliarden Franken ausgegeben. Total also wohl gegen 500 Milliarden Franken.

Jeder Mensch hat wohl eine Idee, wie man das viele Geld besser hätte ausgeben können. Hunger, Klimawandel, Verteilungskämpfe, Gewalt, Armut, Terror. Es ist ja nicht so, als gäbe es zu wenige Probleme auf dieser Welt.

Es bleibt nur die Hoffnung auf Frieden. Auf eine Zeit, in der die Panzer wieder auf dem betonierten Vorplatz einer Kaserne im Schweizer Mittelland stehen und ein Offizier zu seinen Rekruten sagt: «Diese Panzer werden wir nie mehr brauchen. Der Krieg ist vorbei.»

Stefan Reinhart

Stefan Reinhart

Leiter Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten

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Stefan Reinhart ist Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten und Chef vom Dienst im Newsroom Zürich. Zuvor war er Deutschland-Korrespondent für SRF.

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Archiv: Ukraine zieht Soldaten aus Awdijiwka ab
Aus Tagesschau vom 17.02.2024.
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Heute Morgen, 23.02.2024, 8:30 Uhr;kesm

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