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Zwei Jahre Ukraine-Krieg Ukrainischer Psychiater: «Nichts wird so sein, wie es früher war»

Im April 2022 sass der Psychiater Orest Suvalo in seinem Auto auf einem Parkplatz in der westukrainischen Stadt Lwiw und gab der SRF-Sendung «Club» ein Interview. Der russische Angriff hatte vor wenigen Wochen begonnen, im Hintergrund durchquerten uniformierte Soldaten das Bild. Nun dauert der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine bereits zwei Jahre. Im «Club» erzählt Suvalo, wie die Menschen das Erlebte verarbeiten.

Orest Suvalo

Psychiater in Lwiw

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Orest Suvalo ist Psychiater und lebt und arbeitet in der westukrainischen Stadt Lwiw. Er ist Projektmanager bei «Mental Health for Ukraine», einem Projekt, das von der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) unterstützt wird. Zudem ist er Leiter des Instituts für psychische Gesundheit an der Ukrainischen Katholischen Universität in Lwiw.

SRF News: Der Alltag des Krieges, die ständigen Luftangriffe, die Angst und die Trauer: Wie gehen die Menschen in der Ukraine damit um?

Orest Suvalo: Wir spüren viel Schmerz, viel Verlust. Viele, die an der Front kämpfen, kommen mit Verletzungen nach Hause. Wir versuchen, uns immer besser zu vernetzen, damit wir diese Menschen nicht allein lassen.

Sprechen die Menschen über ihre traumatischen Erfahrungen oder gibt es da ein gewisses Stigma?

In meinem beruflichen Umfeld sprechen wir viel darüber. Ich habe auch viele Kollegen, die an der Front sind. Aber gerade in den kleineren Städten hat man früher gar nicht über psychische Gesundheit oder bestimmte Emotionen gesprochen. Diesbezüglich hat sich viel getan in der Gesellschaft. Nicht zuletzt wegen der «Mental Health»-Initiative unserer First Lady Olena Selenska.

Eine Frau umarmt ihren Mann an einem Bahnhof.
Legende: Zwei Jahre Krieg hinterlassen Spuren – bei den Soldaten wie auch bei der Bevölkerung, Keystone/ YAKIV LIASHENKO

Wie gut funktioniert die Wiedereingliederung der Soldaten in die Gesellschaft?

Es gibt viele Angebote, um Veteranen nach ihrer Rückkehr zu unterstützen. Doch meiner Meinung nach ist das nicht genug. Viele von ihnen beanspruchen keine professionelle Hilfe, eben auch wegen dieser Stigmatisierung. Sie suchen eher Unterstützung bei Leuten, die dieselben Erfahrungen gemacht haben wie sie selbst.

Viele kehren mit Erfahrungen nach Hause, die es ihnen schwer machen, sich im zivilen Leben zurechtzufinden.

Wie soll man mit einer Behinderung leben? Ohne Beine, Hände oder Augen? Viele kehren mit Erfahrungen nach Hause, die es ihnen schwer machen, sich im zivilen Leben zurechtzufinden. So verletzt der Krieg nicht nur sie, sondern auch ihre Familien.

Als wir vor zwei Jahren zum ersten Mal miteinander sprachen, haben Sie betont, wie resilient die ukrainische Bevölkerung sei. Ist diese Resilienz gewachsen oder lässt sie allmählich nach?

Manche sind ausgebrannt, man spürt eine gewisse Müdigkeit. Ich verstehe das. Das ist ein natürlicher Prozess. Aber zur Resilienz gehört auch, dass wir verstehen, dass wir einander unterstützen müssen. Vor wenigen Tagen haben russische Raketen eine Schule in Lwiw getroffen. Nur ein paar Stunden später kamen Leute aus der Umgebung und halfen, das Haus zu reinigen.

Wir zahlen einen sehr hohen Preis für die europäischen Werte, für Menschenrechte.

Wahrscheinlich wird die Schule in einigen Tagen neue Fenster haben und die Kinder können wieder unterrichtet werden. Das ist ein Beispiel von Resilienz und von Gemeinschaft, die sich gegenseitig hilft und unterstützt.

Haben Sie Hoffnung, dass sich die Bevölkerung von all dem erholt? Ist das realistisch?

Nichts wird so sein, wie es früher war. Wir zahlen einen sehr hohen Preis für die europäischen Werte, für Menschenrechte. Aber wir kämpfen weiter und hoffen, dass unser Land stark bleibt, wir es beschützen und in eine erfolgreiche Zukunft führen können.

Das Gespräch führte Barbara Lüthi .

Club, 20.02.2024, 22:25 Uhr ; 

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