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Zwei Jahrzehnte Krieg gegen den Terror - eine Bilanz
Aus Echo der Zeit vom 11.09.2021. Bild: Keystone
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20 Jahre Krieg gegen Terror USA bleiben hohe Kosten und ein enormer Blutzoll

Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erklärte der damalige US-Präsident Bush den «Krieg gegen den Terror». Was hat er gebracht?

Nach 20 Jahren Krieg gegen den Terror haben die USA ihre Streitkräfte aus Afghanistan abgezogen. Im Irak sind aber noch 2500 US-Truppen stationiert und die USA sind in 85 Ländern an Anti-Terror-Einsätzen und -Trainings beteiligt. Der Preis dafür ist enorm hoch.

Kosten von 8'000'000'000'000 Dollar

Für den Krieg gegen den Terror haben die USA in den letzten 20 Jahren acht Billionen Dollar ausgegeben. Diese Zahl beinhaltet nicht nur die Kosten für die Militäreinsätze in Übersee, sondern auch für Sicherheitsmassnahmen im Inland, die Langzeitpflege von US-Kriegsveteranen und für Schuldzinsen. 

«Der Krieg gegen den Terror wurde quasi mit der Kreditkarte bezahlt», sagt Stepanie Savell. Sie ist die Co-Direktorin des Projektes «Costs of war», der renommierten Brown Universität. Selbst wenn der Krieg heute beendet würde, seien nach heutiger Schätzung bis ins Jahr 2050 noch Schuldzinsen von 6.5 Billionen fällig. 

Zu jeder direkt im Krieg getöteten Person kommen nochmals drei Mal so viele, die an indirekten Folgen verstorben sind
Autor: Stephanie Savell Co-Direktorin des Projektes «Costs of war»

929'000 Menschen durch Kriegsgerät getötet

Und noch eine erschreckende Zahl: 929'000 Menschen wurden im Krieg gegen den Terror direkt durch Kriegsgerät, also durch Bomben, Gewehrkugeln oder Sprengstoff, getötet – die meisten waren Zivilisten und Zivilistinnen. Das sei eine sehr konservative Schätzung betont die Co-Direktorin von «Costs of war». 

Die wahre Opferzahl sei viel höher: «Zu jeder direkt im Krieg getöteten Person kommen nochmals drei Mal so viele, die an indirekten Folgen verstorben sind», sagt Savell. Das seien zum Beispiel Menschen, die auf der Flucht oder wegen Seuchen und Krankheiten starben. 

Die hohen Kosten und der enorme Blutzoll haben in den USA eine heftige Debatte ausgelöst: Was hat man mit dem Krieg gegen den Terror erreicht? Professor Trevor Thrall von der liberalen Denkfabrik Cato-Institute findet: «Die USA haben einen erschreckend hohen Preis bezahlt für sehr magere Ergebnisse.»

Hunderte von Fotos getöteter US-Soldaten
Legende: Alleine im Irak-Krieg verloren rund 4600 US-Soldaten ihr Leben. (Aufnahme: Lincoln Memorial in Washington) Reuters

Meinungen der Experten gehen auseinander

Anders sieht dies Peter Rough vom konservativen Hudson Institute. Eine Kosten-Nutzen-Analyse sei schwierig, weil wir nicht wüssten, wie die Welt aussehen würde, wenn die USA nicht auf 9/11 reagiert hätten. «Alleine die Tatsache, dass in den USA kein grösserer islamistischer Anschlag mehr möglich war, ist ein grosser Erfolg», findet er. 

Die USA haben nicht nur Al-Kaida nicht besiegen können, sie haben unbeabsichtigt sogar den Aufstieg des IS ermöglicht.
Autor: Trevor Thrall Professor am Cato-Institute

Rough, der unter George W. Bush im Weissen Haus arbeitete, betont zudem, dass die USA den Irak von einem brutalen Diktator befreit und afghanischen Frauen – zumindest zeitweise – Bildung und bessere Gesundheitsversorgung ermöglicht hätten.

Für Trevor Thrall hingegen steht im Vordergrund, dass es den USA nicht gelungen ist, den weltweit agierenden islamistischen Terror zu besiegen – im Gegenteil. «Die USA haben nicht nur Al-Kaida nicht besiegen können, sie haben unbeabsichtigt sogar den Aufstieg des IS ermöglicht.» Zudem gebe es heute weltweit nicht weniger, sondern mehr Terroranschläge mit dschihadistischem Hintergrund. 

Aus heutiger Sicht beruhte der Einmarsch in den Irak auf einer Fehleinschätzung
Autor: Peter Rough US-Politologe vom Hudson Institute

US-Bürger fühlen sich nicht sicherer

Laut Schätzungen des US-Aussenministeriums hat sich die Zahl dschihadistischer Kämpfer seit 2001 weltweit mehr als verdreifacht. Peter Rough räumt ein, dass die USA Fehler gemacht hätten im Krieg gegen den Terror: «Aus heutiger Sicht beruhte der Einmarsch in den Irak auf einer Fehleinschätzung», sagt Rough. Zudem sei die US-Armee zu wenig vorbereitet gewesen auf die Lebenswirklichkeit in den Einsatzgebieten. 

In den letzten zwanzig Jahren ist es islamistischen Terrororganisationen nicht mehr gelungen, Anschläge in den USA zu verüben. Dennoch ist das Sicherheitsgefühl der US-Bevölkerung in den letzten Jahren deutlich gesunken – trotz der acht Billionen, die in den Kampf gegen den Terror investiert wurden.

Obamas Drohnenkrieg

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George W. Bush (US-Präsident von 2001 bis 2009) gilt zwar als Hauptverantwortlicher des Krieges gegen den Terror. Sein Nachfolger Barack Obama hat dessen Strategie nach seinem Amtsantritt aber weitgehend beibehalten. Er ersetzte das Etikett «War against terror» durch das weit neutralere «Overseas contingency operations» (Deutsch: Eindämmungs-Einsätze in Übersee) und reduzierte die Anzahl involvierter Truppen. Gleichzeitig intensivierte er jedoch den Einsatz von unbemannten Drohnen.

«Obama institutionalisierte die Prozesse, mit denen die USA in anderen Ländern ohne Rechtsgrundlage eine grosse Zahl von Menschen umbrachten, die angeblich Terror-Organisationen angehörten», sagt Sicherheits- und Verteidigungsexperte Trevor Thrall vom liberalen Cato-Institute. Weil dabei auch viele Unschuldige und Zivilisten getötet wurden, habe der Drohnenkrieg die Wut auf die USA vergrössert. Damit hätten die USA – wie schon in den Kriegen in Afghanistan und Irak – unbeabsichtigt den Terrorgruppen die Rekrutierung von neuen Kämpfern erleichtert, sagt Thrall. «Obama hat sich in der Öffentlichkeit zwar weit weniger kriegerisch gebärdet als Bush, aber in Wahrheit ist er sehr wohl einer der Architekten des Krieges gegen den Terror».

Echo der Zeit vom 11.09.2021, 18 Uhr

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