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Äusserungen zur Ukraine Angela Merkel macht sich unbeliebt

Die Ex-Kanzlerin schreibt den baltischen Staaten und Polen Mitverantwortung am Ukrainekrieg zu. Das kommt schlecht an.

Es ist selten, dass sich die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zu politischen Fragen äussert. Noch seltener ist, dass sie dabei so konkret wird, wie sie es kürzlich in einem Interview mit dem ungarischen Onlineportal «Partizán» getan hat. Mit ihrer Einlassung hat sie die baltischen Staaten und Polen verärgert. Deren Vertreter reagierten wütend.

Merkel sagte in diesem Interview, sie habe 2021 gespürt, dass das Minsker Abkommen von Putin nicht mehr ernst genommen werde. Deshalb habe sie zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron ein neues Gesprächsformat angestrebt. Ihr Ziel sei gewesen, als EU direkt Gespräche mit Putin zu führen.

Worum ging es in den Minsker Abkommen?

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2014 hat Putin die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim militärisch annektiert. Gleichzeitig begannen pro-russische Separatisten in den ukrainischen Regionen Donbass und Luhansk gegen die ukrainischen Truppen zu kämpfen. Die Separatisten wurden von der russischen Armee unterstützt.

Das Abkommen von Minsk I hatte zum Ziel, die Kampfhandlungen zu beenden und einen politischen Prozess einzuleiten, der die Gebiete langfristig wieder unter die Kontrolle der ukrainischen Regierung bringen würde. Im Abkommen von Minsk II wurde versucht, die für Minsk I nötigen Massnahmen festzuhalten.

Die Minsker Abkommen wurden durch den Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine im Februar 2022 hinfällig.

Doch dies sei in der EU «von einigen nicht unterstützt» worden, «das waren vor allen Dingen die baltischen Staaten, aber auch Polen war dagegen, weil sie Angst hatten, dass wir keine gemeinsame Politik gegenüber Russland haben», führte die Ex-Kanzlerin aus.

Merkel und Hollande tuscheln zusammen
Legende: Angela Merkel und François Hollande 2015 vor dem Abschluss des Minsker Abkommens. Keystone / Sergej Chirikov/Archivbild

«Meine Meinung war, wir müssen dann eben daran arbeiten, eine gemeinsame Politik zu haben. Auf jeden Fall ist es nicht zustande gekommen, und ja, dann bin ich aus dem Amt geschieden, und dann hat die Aggression Putins begonnen.»

Man werde heute nicht mehr klären können, was gewesen wäre, wenn, sagte Merkel.

Heftige Reaktionen

Merkel höre sich ein bisschen an wie US-Präsident Donald Trump, der auch schon gesagt habe, der Ukrainekrieg wäre gar nie ausgebrochen, wäre er damals an der Macht gewesen, sagt SRF-Auslandredaktor Peter Voegeli. «Andererseits weist Merkel damit den baltischen Staaten und Polen eine klare Mitverantwortung zu.»

Der damalige polnische Premierminister Morawiecki reagierte auf der Plattform X heftig auf die Aussagen. Er schrieb auf X, dass Merkel zu denjenigen Politikerinnen gehöre, die Europa am meisten geschadet hätten.

Die ehemalige Bundeskanzlerin 2025
Legende: Angela Merkel im Jahr 2025. Ihre Aussagen gegenüber Polen und den baltischen Staaten kommen bei diesen nicht gut an. Keystone / Stefan Sauer

Estlands Aussenminister Margus Tsahkna wies die Aussagen von Merkel als unverschämt und falsch zurück. Der Grund für Russlands umfassende Aggression seien Putins Unfähigkeit, den Kollaps der Sowjetunion zu akzeptieren, sowie der frühere Wunsch der westlichen Länder, mit Putin zu verhandeln und seine Taten zu ignorieren, sagte er in einer Mitteilung des Aussenamtes in Tallinn.

Auch Lettland und Litauen reagierten

So seien weder der Krieg in Georgien 2008 noch Russlands Annexion der Krim 2014 auf starke Reaktionen gestossen. «In unserer Region wurde Russlands wahre Natur schon früh erkannt, und es wurde vor den von Russland ausgehenden Gefahren gewarnt. Die grosse Mehrheit der westlichen Welt zog es jedoch vor, dies zu ignorieren», sagte Tsahkna.

Deutschland habe unter Merkels Führung zudem die Kosten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Russland falsch eingeschätzt und durch die Eröffnung der Nord-Stream-Pipeline dazu beigetragen, von Russland energieabhängig zu bleiben.

Auch in den beiden anderen baltischen Staaten Lettland und Litauen wurden die Aussagen Merkels kritisch aufgefasst. Das Gespräch mit einem Journalisten von «Partizán» wurde bereits vor einigen Tagen online veröffentlicht. Merkel hielt sich am 1. Oktober in der ungarischen Hauptstadt Budapest auf, um dort für die ungarische Übersetzung ihrer Memoiren zu werben.

SRF 4 News, 7.10.2025, 7:40 Uhr ; 

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