Zum Inhalt springen

Angela Merkel in Chemnitz War es eine Hetzjagd oder nicht?

Bundeskanzlerin Merkel reist zum ersten Mal seit den Ausschreitungen von Ende August ins sächsische Chemnitz. Dort war am Rande eines Stadtfestes ein Deutscher erstochen worden. Im Verdacht stehen Flüchtlinge. Es folgten Ausschreitungen – und der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, sprach explizit von Hetzjagden auf Ausländer.

«Hase du bleibst hier»

Gab es tatsächlich Hetzjagden in Chemnitz oder nicht? Die Juristen sind naturgemäss vorsichtig. Umso mehr, als es den Begriff Hetzjagden juristisch nicht gibt. Umso mehr auch, als Chemnitz politisch ein heisses Eisen ist.

Als Beleg für die Hetzjagden wurde vor allem ein Video angeführt, das überall im Netz verbreitet wurde: Deutsche setzen zur Verfolgung von ausländisch aussehenden Menschen an. Eine Frau ruft einem Angreifer zu: «Hase, du bleibst hier», worauf die Verfolgung abgebrochen wird.

Doch keine Hetzjagd?

Der entlassene Verfassungsschutzpräsident Hans Georg Maassen raunte, das Video sei eine Fälschung. Dazu sagt Oberstaatsanwalt Wolfgang Klein in Dresden: «Dieses Video wurde von uns geprüft. Wir haben keine Anhaltspunkte für eine Fälschung gefunden.»

Aber das Video alleine sei kein Beleg für eine Hetzjagd, erklärt Klein. Zudem stelle der Vorfall für sich allein betrachtet noch nicht die Erfüllung eines Straftatbestandes dar. Die Verfolgungsjagd wurde abgebrochen. Strafrechtlich relevant wäre nach den Worten Kleins, «wenn es bei diesem Nachsetzen letztlich beispielsweise zur Körperverletzungen kommen würde, beziehungsweise gekommen wäre».

Ein vorschneller Regierungssprecher?

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden ermittelt nur zu den beiden Demonstrationen, die im Nachgang zum Tod des Deutschen stattfanden. Klein ist sehr vorsichtig. Aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Indizien und Fakten kommt er zum vorläufigen Schluss, «dass wir keine derartigen Hetzjagden im landläufigen Sinne festgestellt haben».

Auf die Frage, was er dem Regierungssprecher Seibert geraten hätte, falls dieser ihn gefragt hätte, ob er den Begriff Hetzjagd namens der Bundesregierung benutzen sollte, sagt Klein: «Ich hätte zur Vorsicht gemahnt.»

Kanzlerin Merkel war vor dem Bürgertreffen beim Basketball-Training der «Niners Chemnitz» zu Gast.
Legende: Kanzlerin Merkel war vor dem Bürgergespräch beim Basketball-Training der «Niners Chemnitz» zu Gast. Keystone

Angriff auf ein jüdisches Restaurant

Was nach den eigentlichen Demonstrationen passierte, zum Beispiel der Angriff auf ein jüdisches Restaurant, ist Sache der Staatsanwaltschaft Chemnitz. Ob es dort zu Hetzjagden kam, kann und will die Sprecherin nicht sagen: Die Ermittlungen seien noch im Gang. Auch in Dresden sind die meisten Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. In vier Fällen gab es bisher Geldstrafen und eine Haftstrafe. Dabei ging vor allem um den Hitlergruss, der einfach zu beweisen ist.

Demos der Rechtsextremen und Enttäuschten?

Im Zusammenhang mit den Demonstrationen, die von rechten bis rechtsextremen Organisationen sowie Hooligans organisiert wurden, wurde immer wieder ein Vorwurf laut: Die Bevölkerung habe sich zu wenig gegen Rechtsaussen abgegrenzt.

«Diesen Eindruck kann man durchaus haben, dass hier Fussball-Hooligans, Rechtsgerichtete, Personen aus unterschiedlichsten Gruppierungen und Wutbürger sowie Menschen mit irgendwelchen Enttäuschungen an dieser Demonstration teilgenommen haben», sagt Oberstaatsanwalt Klein dazu.

Meistgelesene Artikel