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Gehässiger Bürger-Dialog Ministerpräsident stellt sich dem Zorn der Chemnitzer

Nach der Gewalteskalation sucht Sachsens Michael Kretschmer von der CDU den Bürgerkontakt. Die Reportage von Korrespondent Peter Voegeli.

Ich hatte etwas ganz anderes erwartet. Nämlich, dass draussen vor dem Fussballstadion die rechtspopulistische Bewegung «ProChemnitz» an ihrer Demonstration hässliche Parolen ruft und drinnen in einem grossen Saal – nach den Ausschreitungen und all den heftigen Emotionen der letzten Tage – nun die ruhige und besonnene Mehrheit der Stadt zu Wort käme und das Gespräch mit dem CDU-Ministerpräsidenten sucht.

«Der Grossteil waren friedliche Demonstranten»

Doch offenbar auch die ganz normalen Bürger von Chemnitz sind ausser sich. Sie sehen sich zu Unrecht in einen Topf mit Rechtsextremen geworfen. Es seien nicht bloss Nazis auf der Strasse gewesen, sagte eine Frau: «Und ich fand es schade, dass nicht einer die Lanze gebrochen hat und gesagt hat – Leute, der Grossteil der Menschen waren friedliche Demonstranten.»

Sobald man irgendetwas Negatives gegen irgendwelche Migranten sagt, wird man in die rechte Ecke gedrängt.
Autor: Chemnitzerin am Bürgerdialog

Die Integration der Flüchtlinge sei gescheitert und die Bürger würden damit alleingelassen, fügte eine zweite hinzu. Aber: «Sobald man irgendetwas Negatives gegen irgendwelche Migranten sagt, wird man in die rechte Ecke gedrängt und als Nazi abgestempelt.»

EDA passt Reisehinweise für Deutschland an

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Nach den Krawallen in Chemnitz hat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) die Reisehinweise für Deutschland angepasst. Das EDA mahnt Schweizer Touristen in der Umgebung von Demonstrationen zur Vorsicht, da Ausschreitungen möglich seien.

Ministerpräsident in der Defensive

Auslöser aller Ausschreitungen sei der Tod eines deutschen Festbesuchers am letzten Wochenende gewesen, betonte ein Mann und ergänzt: «Die Wahrheit ist, es ist jemand gestorben und zwei wurden abgestochen. Und das Schlimmste, so kommt es mir rüber was am Wochenende anscheinend passiert ist, war ein Hitlergruss.»

Ministerpräsident Michael Kretschmer liess zwar den Hitlergruss nicht einfach durchgehen. Aber er war spürbar in der Defensive: «Diese Stadt ist nicht rechts, sie ist nicht braun. Dass es da aber zu diesem Punkt gekommen ist, mit dem Hitlergruss, das muss ich genau so erwähnen, weil es auch da gewesen ist.»

«Mit der Flüchtlingspolitik nicht einverstanden»

Kretschmer war offensichtlich bemüht, nicht noch mehr CDU-Wähler in Sachsen an die AfD zu verlieren. Ohne Erfolg, wenn man dem Eindruck nach zwei Stunden traut und nicht nur bei der CDU, wie eine kleine Umfrage ergab: «Wenn jetzt am Sonntag Landtagswahl wäre, was würden sie wählen?» Eine Frau antwortet: «AfD. Wir waren jahrelang Linkswähler. Wir sind aber mit der Flüchtlingspolitik nicht einverstanden. Ich kann nicht jeden herholen.»

Die Flüchtlingskrise erschüttert Deutschland auch noch nach drei Jahren.

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