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Angriff auf Saudi-Arabien Ein neuer Peak in der Eskalationskurve

Wer den Angriff auf saudische Ölanlagen verübt hat, ist nach wie vor unklar. Die Zusammenhänge und möglichen Hintergründe erläutert der SRF-Korrespondent für internationale Diplomatie, Fredy Gsteiger.

Auswirkungen auf den Konflikt USA-Iran: Nach dem Angriff auf Saudi-Arabien spitzt sich der Konflikt zwischen den USA und Iran jetzt erneut zu. Eine ähnliche Situation hatten wir Ende Juni, als eine US-Aufklärungsdrohne von den Iranern abgeschossen wurde. Die USA drohten damals, Iran anzugreifen, doch Präsident Donald Trump stoppte einen Angriff im letzten Moment. Es ist ein grundsätzliches Problem solcher, auf relativ hoher Intensitätsstufe schwelender Konflikte: Es kann jederzeit zur Eskalation kommen – auch ein kleiner Anlass oder Zwischenfall, der möglicherweise nicht einmal beabsichtigt verursacht wurde, kann die Kriegsgefahr erheblich vergrössern.

Spekulationen über die Urheber: Derzeit scheint niemand mit Sicherheit sagen zu können, wer letztlich für die Angriffe auf die Ölanlagen in Saudi-Arabien verantwortlich ist. Auch die USA sind sich nicht sicher, ob tatsächlich Iran dahinter steckt, wie das Aussenminister Mike Pompeo am Samstag behauptet hatte. Bekanntlich haben sich die Huthi-Rebellen in Jemen zu dem Anschlag bekannt. Diese Möglichkeit besteht durchaus, entsprechende Stimmen sind auch aus Washington zu hören. Es könnten aber auch schiitische Milizen in Südirak für den Angriff verantwortlich sein. Klar ist: Iran funktioniert zurzeit über Stellvertreter, Teheran scheut eine ganz direkte militärische Konfrontation mit den USA.

Karte mit Saudi-Arabien und Jemen, eingezeichnet die Orte der Angriffe.
Legende: Für die Angriffe im Osten Saudi-Arabiens haben die Huthi-Rebellen in Jemen die Verantwortung übernommen. srf

Drohnen-Bewaffnung der Huthi: Grundsätzlich sind die Houthi-Rebellen in Jemen durchaus in der Lage, einen solchen Angriff in 1000 Kilometern Entfernung durchzuführen. Eine UNO-Expertengruppe bestätigte kürzlich, dass sie über verschiedenartige Drohnen verfügen, darunter auch über «Samad»-Drohnen. Diese können die saudischen Ölanlagen durchaus mit 20 oder 30 Kilogramm Sprengstoff von Jemen aus erreichen. Die Huthis behaupten, die Drohnen selber entwickelt und gebaut zu haben – ohne Hilfe aus Iran dürften sie das aber nicht geschafft haben. Letztlich ist also ein iranischer Fingerabdruck wohl durchaus erkennbar.

Löchriger Raketenabwehr-Schirm: Der Angriff erfolgte mit Drohnen oder möglicherweise mit Raketen, die von der saudischen Raketenabwehr jedoch nicht abgefangen wurden. Tatsache ist: Es gibt keinen 100 Prozent wirksamen Raketenabwehrschirm. Jede Raketenabwehr hat Löcher. In der Vergangenheit funktionierte die saudische Raketenabwehr recht gut, doch es gab schon früher von den Huthi abgefeuerte Raketen, die ihr Ziel erreichten und Saudi-Arabien Zerstörung brachten. Das Problem für Saudi-Arabien: Dutzende Ölanlagen sind über weite Teile des Wüstenlands verteilt, es ist fast unmöglich, sämtliche Anlagen lückenlos zu schützen.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

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