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Anti-Russland-Kurs in Ukraine Russland-Korrespondent: «Selenski will Moskau ein Signal senden»

Als Wolodimir Selenski vor zwei Jahren zum Präsidenten der Ukraine gewählt wurde, wusste niemand so genau, wofür Selenski politisch steht. Er schaffte es, weder die pro-ukrainische noch die pro-russische Bevölkerung zu vergraulen. Es war unklar, ob er eher eine pro-westliche Politik in Richtung EU verfolgen würde, oder ob er auf den starken Nachbar Russland setzen würde.

Seit ein paar Wochen fährt Selenski auf einmal einen harten anti-russischen Kurs. David Nauer über die Hintergründe.

SRF News: Wie äussert sich der anti-russische Kurs bei Selenski?

David Nauer: Das zeigt sich daran, dass Selenski gegen pro-russische Medien in der Ukraine vorgegangen ist. Er hat im Februar drei Fernsehsender verbieten lassen. Fernsehsender, welche stark die Kreml-Linie vertreten haben, gerade im Konflikt in der Ostukraine. Begründet hat der Präsident diese Massnahme damit, dass die Sender Propaganda verbreitet hätten, was nicht falsch ist.

Selenski hat gesehen, dass ihm die Russen, ausser Probleme, nicht viel zu bieten haben und der Westen ihm Unterstützung bietet.

Bei diesem Schlag gegen die Sender ist es nicht geblieben, die ukrainischen Behörden sind auch gegen den mutmasslichen Besitzer dieser Fernsehanstalten, Viktor Medwedtschuk, vorgegangen. Der Geschäftsmann und Politiker wurde kürzlich vom Geheimdienst zu einer Vernehmung vorgeladen. Offenbar gibt es gegen ihnen Vorwürfe, er habe mit pro-russischen Separatisten schmutzige Geschäfte gemacht.

Viktor Medwedtschuk ist Oligarch und eine Schlüsselfigur in der ukrainischen Politik. Ist er ein Freund Russlands?

Er ist DER Freund Russlands in der ukrainischen Politik, genauer gesagt der Freund von Vladimir Putin. Medwedtschuk und Putin kennen sich gut. Putin ist sogar der Patenonkel von Medwedtschuks Tochter. Diese persönlichen Verbindungen nach Moskau machen Medwedtschuk zu einem wichtigen Faktor in der Politik. Er ist der Einzige, welcher noch mit den Russen sprechen kann. Er hat sich auch schon an Verhandlungen beteiligt, als es zum Beispiel um die Freilassung von Gefangenen in der Ostukraine ging. Zudem ist Medwedtschuk eine ganz wichtige Figur bei der pro-russischen Oppositionspartei «Für das Leben.»

Wie erklären Sie sich , dass Präsident Selenski Medwedtschuk bisher gewähren liess?

Das hat einerseits aussenpolitische Gründe: Selenski war angetreten, um den Krieg im Osten zu beenden und das Verhältnis mit den Russen zu verbessern. Er hat in den letzten beiden Jahren jedoch gesehen, dass der Kreml da nicht mitmacht. Dass der Kreml nicht bereit ist, den Ukrainern entgegenzukommen. Selenski seinerseits ist den Russen entgegengekommen, hat aber nichts erhalten. Nun versucht er es offenbar mit einer anderen Strategie und will Moskau ein Signal senden. Andererseits gibt es sicher auch innenpolitische Gründe. Selenskis Partei hat in letzter Zeit stark an Popularität eingebüsst. Die Partei von Medwedtschuk dagegen hat viel an Unterstützung gewonnen.

Wie gross ist der Rückhalt , den Selenski aus dem Westen erhält?

Der Rückhalt wächst. Die US-Botschaft hat, wie ich finde, die Massnahmen in bemerkenswerter Weise gestützt und auf Twitter schon fast applaudiert. Dies hat sicherlich mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden zu tun, welcher eine stärkere Rolle Amerikas in diesem Konflikt verfolgt. Es hat aber auch damit zu tun, dass Selenski gesehen hat, dass ihm die Russen ausser Probleme nicht viel zu bieten haben und der Westen ihm Unterstützung bietet.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

Echo der Zeit, 15.3.2021, 18:00 Uhr ; 

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