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Baerbock in Moskau Feuerprobe bestanden

Der Besuch in Moskau galt als «Feuerprobe» für die grüne Aussenministerin Annalena Baerbock. Denn die Lage zwischen Russland und Europa ist mehr als angespannt, die Beziehungen mit Deutschland sind gar auf einem Tiefpunkt. Das Terrain ist heikel.

Es wird wieder gesprochen

Gelöst wurden die vielfältigen Probleme nicht. Doch immerhin: Es wird wieder gesprochen. Zweieinhalb Stunden dauerte das Treffen zwischen Aussenministerin Annalena Baerbock und ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow – viel länger als geplant. Gezielte Provokationen Lawrows oder eine öffentliche Blossstellung Baerbocks blieben aus. Feuerprobe bestanden, dürfte nun das Urteil lauten.

Die Meinungsverschiedenheiten seien «fundamental», sagte Baerbock an einer gemeinsamen Pressekonferenz. Dennoch schlug sie selbst versöhnliche Töne an. Vor allem anderen sei Politik verpflichtet, «Menschen vor Krieg zu schützen». Und ein solcher droht im Moment zwischen Russland und der Ukraine. Es sei schwer, den Aufmarsch russischer Truppen nicht als Drohung zu verstehen, sagte Baerbock. Auf eine Gegendrohung verzichtete sie trotzdem.

Nord Stream 2 als Druckmittel?

Dabei wird genau das von vielen erwartet. Deutschland hält mit der Gaspipeline Nord Stream 2 ein Pfand in Händen, das für Russland höchste Bedeutung hat. Vielen EU-Staaten ist die Pipeline ohnehin ein Dorn im Auge, und Baerbock selbst war noch als Bundestagsabgeordnete der Auffassung, Nord Stream 2 müsse gestoppt werden.

Doch die Pipeline ist längst fertiggestellt, und Baerbock mittlerweile Teil der Regierung. Deren Kanzler Olaf Scholz wird nicht müde zu betonen, es handle sich bei der Pipeline um ein rein privatwirtschaftliches Projekt. Teile der Grünen und der FDP, seiner Regierungspartnerinnen, widersprechen offen.

Koalition ist sich nicht einig

Wirtschaftsminister Robert Habeck bezeichnete die Pipeline als ein geostrategisches Projekt Russlands und eine Gefahr für Europas Unabhängigkeit. Ob es in diesem Punkt eine konsolidierte Haltung der Bundesregierung gebe, wurde Baerbock von einer Journalistin gefragt.

Am Ende werde europäisches Energierecht entscheiden, zitierte Baerbock einen winzigen Satz aus dem Koalitionsvertrag. Ob sich also die Koalitionspartner einig sind, spielt keine Rolle. Baerbock konnte ohne Gesichtsverlust darauf verzichten, Moskau mit Nord Stream 2 unter Druck zu setzen. Ob eine harte Hand Russland zum Einlenken bewegen könnte, ist ohnehin fraglich.

Die Kunst der Diplomatie

Kein Wort verlor Baerbock auch über den Auftragsmord an einem Tschetschenen in einem Berliner Park, für den ein deutsches Gericht kürzlich zweifelsfrei die russische Regierung verantwortlich gemacht hatte. Selbst dass Lawrow die Verfolgung ausländischer Journalisten in Russland mit einer Youtube-Sperre gegen den russischen Propaganda-Sender RT in Deutschland aufwog, brachte Baerbock nicht aus der Ruhe.

Das nennt sich wohl die hohe Kunst der Diplomatie. Möge es dem Frieden dienen.

Bettina Ramseier

Deutschland-Korrespondentin, SRF

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Bettina Ramseier ist SRF-Korrespondentin in Berlin. Sie ist seit 15 Jahren TV-Journalistin: Zuerst bei TeleZüri, danach als Wirtschaftsredaktorin bei SRF für «ECO», die «Tagesschau» und «10vor10».

 

 

Tagesschau, 18.01.2022, 12:45 Uhr

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