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Bastion der fossilen Energien Australien – verdammt zum Klimaschutz

Klimaschutz ist unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden wieder Chefsache. Das bringt Australien in grosse Bedrängnis.

Joe Bidens Klimaschutzbeauftragter John Kerry sprach jüngst im Weissen Haus Klartext. «Beim Klimawandel steht unglaublich viel auf dem Spiel. Jetzt geht es um die Existenz.» Dem konservativen australischen Premierminister Scott Morrison rauben solche Worte den Schlaf.

Denn während sich immer mehr Länder zum Kampf gegen die Erderwärmung verpflichten, will Canberra an seinem Status als weltweit führender Produzent fossiler Brennstoffe festhalten. Die Regierung kündigte jüngst sogar den Ausbau der Gasindustrie an.

Biden besucht Solar-Anlage in Plymouth, 28. Januar 2021
Legende: Nur Stunden nach seinem Amtsantritt hatte der neue US-Präsident Joe Biden das Land in das Pariser Klimaschutzabkommen zurückgeholt, aus dem Donald Trump ausgetreten war. Reuters

Derartige Politik werde es künftig schwer haben, glaubt Frank Jotzo, Professor und Experte für Klimapolitik an der australischen Nationaluniversität. Washington dränge Canberra, die Richtung zu ändern, meint der gebürtige Deutsche. «Der Druck wird sich hinter den Kulissen manifestieren, durch Unterhaltungen zwischen den Spitzenpolitikern, aber der Druck wird auch öffentlich sichtbar sein.»

Das ist er schon. Kaum stand der Abgang des notorischen Klimaskeptikers Donald Trump fest, liess Morrison durchblicken, Australien könnte seine vergleichsweise bescheidenen Ziele zur Reduzierung von Klimagasemissionen vielleicht doch etwas erhöhen.

Morrison bei Besuch von Mine
Legende: Seit Neustem wird sogar ein Netto-Null-Emissionsziel bis 2050 diskutiert. Was für viele Länder längst die Norm ist, war in der von Klimaskeptikern dominierten Regierung von Scott Morrison (im Bild) noch vor wenigen Wochen unaussprechbar. Reuters

Denn Klima-schädigende Kohle und Gas gehören zu Australiens wichtigsten Exportgütern. Von beidem hat das Land Reserven für hunderte von Jahren. Milliarden Exportdollar, Steuereinkommen, Unternehmensgewinne. Darauf könne die Volkswirtschaft schlicht nicht verzichten, sagt die Bergbauindustrie. Die meisten Politiker stimmen ihr zu.

Ziele des Pariser Klimaabkommens

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Im Pariser Klimaabkommen verpflichten sich zwar fast alle Staaten der Welt, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad, besser 1.5 Grad zu begrenzen. Doch was das für jedes einzelne Land bedeutet, sagt der Vertrag nicht. Das darf jede Regierung selbst festlegen. Das Pariser Abkommen sieht vor, dass jedes Land seine Pläne alle paar Jahre nach oben hin angepasst.

Ob konservativ oder sozialdemokratisch – Rohstoffunternehmen unterstützen die grossen Parteien mit Spendengeldern. Diese Einflussnahme hat Folgen für die Klimadebatte. «Das politische Grundproblem ist, dass sich über die letzten 10 Jahre eine Erzählweise herausentwickelt hat, wonach Klimaschutz die australische Wirtschaft ruinieren könnte. Das ist natürlich völliger Quatsch», sagt Jotzo.

Fragiler Kontinent

Denn erneuerbare Energien könnten viel mehr Arbeitsplätze stellen als der fossile Sektor. Und es gibt noch einen anderen Grund für Australien, Klimaschutz endlich ernst zu nehmen. Unkontrollierbare Waldbrände, der Kollaps von Ökosystemen wie dem Barrier Riff – das seien erste Symptome einer bevorstehenden klimatischen Apokalypse auf dem besonders trockenen Kontinent, warnen Forscher.

Sowohl für Regierung als auch Opposition sei es einfacher, so zu tun, als ob das mit der Kohle einfach so weiter gehen könne, sagt Jotzo. Dabei ist der Kohlemarkt bereits in einer Todesspirale. Abnehmerländer steigen von schmutzigen Rohstoffen auf erneuerbare Energien um.

Gewaltiges Potenzial bei erneuerbaren Energien

Langfristig sieht Experte durchaus eine positive Zukunft für Australiens Rolle im globalen Klimaschutz. «Erneuerbare Energien sind sehr, sehr billig herzustellen, und das Potenzial für Wind und Solarenergie ist in Australien praktisch unbegrenzt.»

Er ist überzeugt: der Wandel zur Nachhaltigkeit werde schlussendlich vom Volk gefordert, das laut Umfragen alternative Energien klar unterstütze. Und der Druck wird weiter zunehmen – nicht nur aus Washington. Die Europäische Union will künftig Einfuhren aus Ländern mit einem Strafzoll belegen, die einen – wie sie es diplomatisch ausdrückt –«weniger ehrgeizigen Klimaschutz betreiben.»

Rendez-vous vom 02.03.2021, 12:30 Uhr

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