Der dänische Geheimdienstbericht dürfte reichlich Gesprächsstoff geliefert haben auf dem heutigen Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Länder an der EU-Ostflanke in Helsinki. Zumal nicht nur dieser Bericht, sondern auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte Europa ernsthaft bedroht sieht – und das inzwischen, kurz vor dem Gipfel, offen einräumt: «Russlands nächste Zielscheibe sind wir, die Nato.» Rutte schliesst daraus: «Wir müssen mehr tun.»
Der Nachrichtendienst der dänischen Streitkräfte schreibt in seinem 64-seitigen Bericht mit dem nüchternen Titel «Ausblick 2025»: «Russland bereitet sich auf einen Krieg gegen die Nato vor.» Und nennt bereits Termine: Vorausgesetzt, der Ukraine-Krieg ende irgendwann und Moskau könne dort Truppen abziehen, drohe schon 2027 ein lokaler Krieg gegen ein einzelnes Nato-Land. 2028 seien die Russen dann bereit für einen regionalen Krieg und 2031 für einen grossen Feldzug gegen die Nato.
Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen sagt es so: «Nie habe ich geglaubt, dass es Russland beim Krieg gegen die Ukraine primär um die Ukraine geht. Es geht vielmehr um Russlands imperialen Traum, sich in Europas Angelegenheiten einzumischen.» Alexander Stubb, der finnische Präsident, wiederum sagt im niederländischen Fernsehen: «In meinem Land sind wir nie Illusionen über Russland erlegen.»
Hybrider Krieg im Ostseeraum hat schon begonnen
Am unmittelbarsten und am grössten sei das Risiko im Ostseeraum, so die Geheimdienstanalyse. Denn die Region sei für Russland und besonders für seine Ölexporte entscheidend. Und dort hat, was nicht nur der dänische Nachrichtendienst sagt, ein hybrider Krieg bereits begonnen: mit Drohneneinsätzen, Luftraumverletzungen, GPS-Störungen oder Sabotageakten.
Die russische Aggressivität, so die dänische Einschätzung, sei ein langfristiges Problem, unabhängig davon, wie lange Wladimir Putin noch regiere. Das Land sei tiefgreifend militarisiert, schon Kinder würden systematisch indoktriniert. Das werde die russische Haltung und Politik für Generationen prägen.
Auch USA gelten erstmals als Bedrohung
Bemerkenswert ist ebenso, wie der Nachrichtendienst nicht nur die Gefahr aus dem Osten wahrnimmt, sondern erstmals auch eine aus dem Westen. Wörtlich steht im Bericht: «Die USA setzen jetzt ihre wirtschaftliche und technologische Stärke als Machtinstrument ein – sogar gegen Alliierte und Partner.» Und weiter: Die US-Aussenpolitik gründe nicht länger in einer auf Regeln basierten Weltordnung. Das sind neue Töne.
Der finnische Präsident Alexander Stubb, dem ein guter Draht zu US-Präsident Donald Trump nachgesagt wird, meint nüchtern: «In der Aussenpolitik müssen wir mit der Welt leben, so wie sie ist, nicht mit einer Welt, wie wir sie gerne hätten.»
Die Analysten des dänischen Nachrichtendienstes gelangen keineswegs als einzige zu derart beunruhigenden Erkenntnissen. Der Unterschied ist bloss, dass sich die Dänen besonders pointiert ausdrücken und dass sie ihre detaillierte Analyse öffentlich machen.