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Beratung vor EU-Sondergipfel Merkel und Conte wollen wuchtige Antwort auf Corona-Krise

  • Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte hat eine rasche Einigung der EU über einen Wiederaufbauplan verlangt, der Europa wirtschaftlich aus der Corona-Krise führen soll.
  • Der geplante Wiederaufbaufonds müsse etwas Wuchtiges sein, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in Berlin.
  • Im Streit über den EU-Fonds für den Wiederaufbau werden fieberhaft Kompromisse ausgelotet.

Merkel hat besondere Anstrengungen für einen Finanzpakt zum Wiederaufbau nach der Corona-Krise gefordert. Der geplante Wiederaufbaufonds müsse etwas Wuchtiges sein, und es sei wichtig, dass dieser nicht verzwergt werde, sagte sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte auf Schloss Meseberg nördlich von Berlin.

«Ich weiss nicht, ob wir zu einer Einigung kommen», warnte sie aber. «Es ist noch nichts sicher. Die Wege sind noch weit, die zu gehen sind.» Merkel fügte hinzu: «Die Aufgabe ist riesig, und deswegen muss die Antwort auch gross sein.»

Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs wollen auf dem Gipfel versuchen, eine Einigung über die EU-Finanzen bis 2027 und den Aufbaufonds nach der Coronakrise zu finden. Gemäss dem Vorschlag von EU-Ratspräsident Charles Michel soll der EU-Finanzrahmen von 2021 bis 2027 ein Volumen von 1.074 Billionen Euro haben. Für die Coronakrise sind 750 Milliarden Euro vorgesehen – 500 Milliarden sollen davon nach einem Vorschlag der EU-Kommission als Zuschüsse vergeben werden, 250 Milliarden als Kredite.

Einschätzung von EU-Korrespondent Michael Rauchenstein

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Die Bundeskanzlerin ist in ihrem Element. Seit Angela Merkel wieder Staats- und Regierungschefs empfangen kann, trifft sie sich mit Emmanuel Macron, Mark Rutte und Giuseppe Conte zu persönlichen Gesprächen in der Bundesrepublik.

Es geht um viel Geld und die Solidarität in Europa. Weniger im Scheinwerferlicht, aber als wichtiger einzustufen, sind die Gespräche, die der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte wegen des 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds führt.

Es ist Rutte, der davon überzeugt werden muss, dass es bei diesem Fonds nebst Krediten auch Zuschüsse für die von Corona schwer getroffenen Staaten geben soll. Die Niederländer sind äusserst skeptisch, wenn es darum geht, dass hoch verschuldete Mitgliedsstaaten wie Italien oder Spanien nicht zurückzahlbares Geld erhalten sollen.

Rutte fordert auch, dass die Gelder in Reformprojekte fliessen müssen und nicht irgendwo im Haushalt der jeweiligen Länder versickern. EU-Ratspräsident Charles Michel ist diesbezüglich Rutte mit seinem Vorschlag entgegengekommen und damit auch den anderen skeptischen Mitgliedsstaaten Österreich, Dänemark und Schweden. Die Gelder sollen erst dann fliessen, wenn eine Mehrheit der Länder den Reformprojekten zustimmt.

Auch beim 7-Jahres-Budget (MFR), das mit dem Wiederaufbaufonds verbunden ist, macht Charles Michel einen Schritt auf die Nettozahler zu. Anstatt der von der EU-Kommission vorgeschlagenen 1.1 Billionen Euro, soll das Budget 1.074 Billionen Euro betragen und die Nettozahler können ihre Rabatte behalten.

EU-Ratspräsident Michel zeigt sich mit seinen Vorschlägen gewillt, am kommenden EU-Gipfel einen Kompromiss hinzukriegen. Es bleiben wenige Tage, mit dem niederländischen Ministerpräsidenten ebenfalls einen Kompromiss zu erzielen.

Italien hat die Coronakrise mit rund 35'000 Toten besonders hart getroffen, wie Spanien ist das Land möglicher Hauptempfänger der geplanten EU-Hilfen. Ob Italien die Kredite des ESM in Anspruch nehmen soll, darüber streiten Politiker seit Wochen – trotz eines drohenden Wirtschaftseinbruchs von mehr als zehn Prozent.

Zerstrittene Regierungskoalition in Italien

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Matteo Salvinis und Giuseppe Conte im Parlament
Legende: Keystone

Giuseppe Contes Regierungskoalition aus Sozialdemokraten und der Fünf-Sterne-Bewegung ist zerstritten. Vor allem oppositionelle Rechtsparteien wie Matteo Salvinis Lega machen Stimmung gegen die EU. Die Corona-Krise hat Italien mit rund 35'000 Toten besonders hart getroffen. Experten warnen vor verheerenden wirtschaftlichen Folgen, weil viele Menschen im Land vom Tourismus abhängig sind.

Widerstand aus den eigenen Reihen

Merkel und der niederländische Premier Mark Rutte vertreten dabei unterschiedliche Positionen. Die Niederlande gehören mit Österreich, Dänemark und Schweden zu den «Sparsamen Vier», die nicht rückzahlbare Milliardenzuwendungen ablehnen. Die Niederlande wollen die Mittel nur in Form von Krediten zugestehen, die zudem an wirtschaftliche Reformen geknüpft werden sollen.

SRF 4 News, 08.07.2020; 19:00 Uhr ; 

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