Schon achtmal ist David Nauer seit Beginn des russischen Angriffskriegs in die Ukraine gereist. Er hat für SRF unter anderem über die Stimmung in Kiew, Menschen in befreiten Dörfern und die Verschiebungen an der Front berichtet. Im Interview erklärt der Auslandredaktor, worauf er vor und während einer Reise achtet.
SRF News: Wie war Ihr erster Einsatz als Journalist in einem Kriegsgebiet?
David Nauer: Das war 2008, als es einen Krieg zwischen Georgien und Russland gab. Ich war damals in Moskau stationiert und ein noch ein deutlich jüngerer Journalist. Ich stürmte damals ziemlich kopflos los und reiste sofort nach Georgien. In der Hauptstadt Tiflis setzte ich mich mit einem Kollegen in ein Taxi, und wir fuhren an die Front. Wir kamen in eine Kleinstadt, in der Häuser brannten, weil sie gerade bombardiert worden waren. Wir schauten uns das an und beschlossen, jetzt wirklich an die Front zu fahren. Als wir weiterfuhren, schoss plötzlich eine Artilleriekanone neben uns los. Ich war auf Adrenalin, aber das war auch schockierend.
Wenn ich in ein frontnahes Gebiet fahre, informiere ich mich vorher sehr genau über die Ortschaften, die ich besuchen will.
Rückblickend muss ich sagen, dass ich kopflos unterwegs war. Ich hatte weder eine Schutzausrüstung dabei, noch hatte ich mich im Vorfeld informiert. Ich bin einfach reingestürmt, was sehr gute Reportagen gegeben hat. Aber heute arbeite ich anders.
Was heisst das konkret? Inwiefern hat sich das verändert?
Ich bereite mich viel besser vor. Ich bin jetzt zum achten Mal in der Ukraine seit Kriegsbeginn. Je nachdem, wo ich hinfahre, betreibe ich einen grösseren oder kleineren Aufwand, um mich vorzubereiten. Wenn ich in ein frontnahes Gebiet fahre, informiere ich mich vorher sehr genau über die Ortschaften, die ich besuchen will.
Man muss immer an die Sicherheit denken
Wie oft gibt es Beschuss? Mit was für Waffentypen beschiessen russische Streitkräfte diese Ortschaften? Wie kann man sich schützen? Gibt es überhaupt eine Möglichkeit zu übernachten? Es gibt viele solche Überlegungen, die ich anstelle. Das ist ein permanenter Prozess.
Helfen Ihnen Leute bei der Organisation einer Reise und diesen Abklärungen?
Ja, ich habe, wie sehr viele ausländische Journalisten, eine lokale Mitarbeiterin, die werden Fixer oder Stringer genannt. Das sind Einheimische, oft selbst Journalisten – oder wie in meinem Fall – eine Journalistin, die mir hilft. Das ist sehr viel wert, weil sie zum Beispiel mit ein paar Telefonaten jemanden findet, der an dem Ort ist, wo ich hin will und mit dieser Person ausführlich reden kann.
Wie sieht ein typischer Tag auf Reportage im Kriegsgebiet aus?
Es gibt zwei unterschiedliche Arten von Tagen. Am einen arbeitet man quasi selbstständig. Da ist man beispielsweise in einer Stadt, die nicht so nahe an der Front ist, dass sie gesperrt ist. Man kann sich frei bewegen, Termine für Interviews abmachen. Ich spreche Leute auf der Strasse an und versuche, einen Eindruck von der Situation zu bekommen. Das ist quasi normale journalistische Arbeit, einfach unter Kriegsbedingungen. Das heisst, man muss immer an die Sicherheit denken.
In Frontnähe ist man stets mit einem Presseoffizier der ukrainischen Armee unterwegs.
Und dann gibt es eine andere Art zu arbeiten – wenn man mit der Armee unterwegs ist. In der Ukraine sind frontnahe Gebiete oft nicht zugänglich für Journalisten. Man muss sich mit einer Presseoffizierin oder einem Presseoffizier der ukrainischen Armee bewegen. Das hat den Vorteil, dass sie einen an Orte bringen, an die man sonst nicht kommt. Aber auch den Nachteil, dass sie immer dabei sind und einem auch das zeigen, was sie einem gerne zeigen möchten.
Das Gespräch führte Corina Heinzmann
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