Die AfD ist im Osten Deutschlands längst zur festen Grösse geworden. Rund ein Viertel aller Stimmen holt sie mit einiger Zuverlässigkeit jeweils bei Wahlen in den neuen Bundesländern, deutlich mehr als im Westen. Doch noch nie hat sie es geschafft, in einem Bundesland stärkste Kraft zu werden.
Denn wenn es eines gibt, was alle übrigen Parteien verbindet, dann ist es das gemeinsame Ziel, einen solchen Wahlsieg der AfD zu verhindern. Auch in Sachsen-Anhalt gilt an diesem Wahlsonntag: Alle gegen eine, eine gegen alle. Die CDU soll weiter den Ministerpräsidenten stellen.
Im Osten gelten andere Regeln
Dass die Skepsis gegenüber Staat und Regierung im Osten traditionell gross ist, zeigte sich auch in der Corona-Pandemie: Die Zahl derer, die die staatlichen Massnahmen ablehnt, ist hier deutlich grösser als im Rest des Landes. Doch die Kritik an der Regierung lässt sich in diesem Fall nicht als irrationale Demokratiefeindlichkeit abtun.
Obwohl die Infektionszahlen hierzulande längst deutlich tiefer liegen als in der Schweiz, mancherorts gar nur noch knapp über 10, bleibt Deutschland restriktiv: Masken- und Testpflicht an Schulen beispielsweise, selbst für die Kleinsten, halten sich hartnäckig, und touristische Reisen sind in einzelnen Bundesländern noch immer verboten.
Glaubwürdigkeit der Regierung hat gelitten
Dass Einschränkungen, die nur schwer nachvollziehbar seien, bei vielen Ostdeutschen ungute Gefühle weckten, sei nachvollziehbar, schreibt aktuell «die Zeit». Auch ohne Diktatur-Erfahrung scheint die Skepsis gegenüber dem Krisen-Management der Regierung plausibel. Mehr noch: Dass angesichts tiefer Inzidenz nach wie vor eine Mehrheit der Deutschen die Corona-Massnahmen relativ unkritisch unterstützt, verwundert zunehmend.
Umso mehr, als dass die Glaubwürdigkeit der CDU-geführten Bundesregierung in der Pandemie durchaus gelitten hat. Es wurde gepatzt bei der Beschaffung von Schutzkleidung, Unions-Politiker bereicherten sich persönlich an Maskendeals, die angeblich weltbeste Corona-App brachte kaum Erfolge, und eine Verordnung, die den Betrieb von Testzentren regeln sollte, darf als Einladung zum Betrug gewertet werden.
Furcht vor dem Radikalen
Die CDU hätte es sich zu einem grossen Teil selbst zuzuschreiben, wenn sie in Sachsen-Anhalt von der AfD überholt würde. Doch so weit wird es wohl nicht kommen. Der AfD gelang es kaum, aus den Fehlern der Regierung Kapital zu schlagen. Ihre eigenen Vorschläge zur Pandemiebekämpfung waren dann doch zu dürftig, um nicht zu sagen: nicht vorhanden.
Und so könnte nicht nur an diesem Wochenende eine schmerzliche Quittung für die CDU ausbleiben. Auch für die Bundestagswahl im Herbst stehen die Zeichen wieder besser als in den letzten Wochen. Die Bereitschaft, sich mit dem Status Quo abzufinden, scheint in Deutschland grösser zu sein als jene, sich auf das Radikale einzulassen.