Ob man sich nun für das britische Königshaus interessiert oder nicht. In diesen Tagen dominiert im Vereinigten Königreich eine Figur alle Frontseiten: Prinz Andrew. Dieser war eng mit dem Sexualstraftäter Epstein befreundet. In dessen Umfeld soll er einst eine minderjährige Frau sexuell missbraucht haben.
Der Prinz bestreitet die Vorwürfe seit Jahren vehement. Doch heute ist der Verkaufsstart der Biografie des einstigen Epstein-Opfers Virginia Giuffre. Die neuen Details werden das Königshaus weiter unter Druck setzen und drohen zunehmend, die Regentschaft von König Charles zu beschädigen.
Immer neue Peinlichkeiten
Vergangene Woche wurde der Druck so gross, dass sich Prinz Andrew unter Anleitung der PR-Abteilung des Buckingham-Palastes öffentlich ins Schwert geworfen hat. Aus Rücksicht auf seinen Bruder, den König, verzichte er künftig auf die Verwendung seines Titels «Herzog von York». Die sedierende Wirkung der royalen Selbstdegradierung hielt exakt zwei Tage an. Seither tauchen täglich neue Peinlichkeiten auf.
Verzweifelt forderte der Palast deshalb am Montag in den Abendnachrichten der BBC die Britinnen und Briten dringend dazu auf, ihre Aufmerksamkeit doch bitte wieder auf den König zu richten und nicht auf die skandalösen Fehltritte des Prinzen. Die Bitte kommt nicht ohne Grund. Diese Woche reist King Charles III. nach Rom, wo er mit dem Papst für eine bessere Welt beten will. Die Gefahr, dass ihm dabei sein Bruder mit seinen Eskapaden den medialen Sauerstoff entzieht, ist so gross wie real.
Prinz per Geburtsrecht
Andrew ist ein Prinz, den die königliche Familie seit einigen Jahren nur noch sehr limitiert im öffentlichen Raum zeigt. Und immer mehr Britinnen und Briten fragen sich, was den missratenen Bruder legitimiert, auf Kosten der Steuerzahlenden in einer royalen 20-Zimmer-Residenz unter Verschluss gehalten zu werden. Die «Times» enthüllt heute, dass Andrew für sein Anwesen seit Jahrzehnten ziemlich wenig Miete bezahlt. Nämlich gar nichts.
Politikerinnen und Politiker fordern die britische Regierung zudem auf, Andrew endlich alle seine Titel zu entziehen. Dies sei nicht möglich, erklären royale Experten. Der Sohn einer Königin sei per Geburtsrecht ein Prinz. Das zeigt einmal mehr, wie problematisch es ist, wenn Titel und Privilegien wie Möbelstücke innerhalb einer Familie vererbt werden.
Wer zieht die Reissleine?
Die Kompetenz, Prinz Andrew alle seine Titel zu entziehen, liegt allein beim Parlament. Ein solcher Schritt wäre kein harmloser Akt. Er könnte die Monarchie allenfalls grundsätzlich erschüttern. Doch viele von Andrews Verwandten, allen voran der künftige König William, könnten bald zum Schluss kommen, dass der langfristige Reputationsschaden der fortschreitenden Peinlichkeiten schwerer wiegt als der kurzfristige Schmerz der Extraktion eines Onkels aus dem Schoss der Familie.
Denn die britische Öffentlichkeit interessiert sich weniger für die formalen Schritte der Rückführung eines Problem-Prinzen in die reale Welt. Was sie tatsächlich bewegt, sind die schweren Vorwürfe gegen Seine Königliche Hoheit Prinz Andrew Mountbatten-Windsor.