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Brexit-Diskussion ohne Ende «Manche Tories könnten Mays Schiffbruch provozieren»

Für den Grossbritannien-Experten Gerhard Dannemann könnte die Zollunion doch eine Lösung sein. Dann aber ohne May.

Die britische Premierministerin Theresa May soll es nochmals mit Nachverhandlungen in Brüssel versuchen – das verlangt das Parlament. Doch die Zweifel sind gross, dass sie beim so genannten «Backstop» in Brüssel Zugeständnisse erhalten wird.

Der Grossbritannien-Experte Gerhard Dannemann sieht eine mögliche Lösung darin, dass das Königreich am Ende doch in der Zollunion bleibt, es also zu einem weichen Brexit kommt.

Gerhard Dannemann

Grossbritannien-Spezialist

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Gerhard Dannemann ist Professor für englisches Recht sowie britische Wirtschaft und Politik an der Humboldt-Universität Berlin.

SRF News: Haben wir nach dem deutlichen Votum des britischen Unterhauses für Nachverhandlungen mit Brüssel jetzt mehr Klarheit?

Gerhard Dannemann: Wir wissen bloss, dass das britische Parlament den ausgehandelten Vertrag wegen des «Backstops» nicht haben will. Zugleich sagte das Unterhaus am Dienstag, dass es keinen harten Brexit will, sondern einen EU-Ausstieg mit einem Abkommen. Deshalb soll May nun in Brüssel nachverhandeln – etwas, das die EU-Kommission bereits mehrfach ausgeschlossen hat. Insofern ist das keine klare Handlungsanleitung des britischen Parlaments.

Es bleibt völlig offen, was May machen will, falls die EU so hart bleibt, wie sie es bisher war.

Auch May selber plädierte für Nachverhandlungen. Steht sie auch nicht mehr hinter dem Abkommen, das sie mit der EU ausgehandelt hat?

So sieht es aus. May hat nun zunächst versucht, ihre konservative Partei sowie die nordirischen Unionisten hinter sich zu versammeln. Erst in der nächsten Stufe wird sich zeigen, was daraus wird. Völlig offen bleibt, was May machen will, falls die EU so hart bleibt, wie sie es bisher war. Theoretisch könnte sie das Unterhaus nochmals über das vorliegende Abkommen abstimmen lassen. Aus politischen Gründen ist das aber kaum machbar.

May im Unterhaus, sie spricht.
Legende: Nun soll May erneut nach Brüssel, um nachzuverhandeln. Der Ausgang ist höchst ungewiss. Keystone
Offenbar haben einige Parlamentarier Angst vor der eigenen Courage bekommen.

Das Unterhaus lehnte am Dienstag mehrere Vorstösse ab, die ihm mehr Macht gegeben hätten. Was bedeutet das?

Offenbar haben es einige Parlamentarier mit der Angst vor der eigenen Courage zu tun bekommen. Auch taktische Überlegungen könnten eine Rolle gespielt haben: Weniger euroskeptische May-Gegner innerhalb der Tories könnten den totalen Schiffbruch Mays beabsichtigen, wenn sie jetzt in Brüssel nicht auf Gehör stösst. Danach könnten sie versuchen, eine Mehrheit zu finden, um auf die EU zuzugehen und den Verbleib Grossbritanniens in der Zollunion anzubieten.

Corbyn wird May vortragen, was er jetzt tun würde. Sie wird nicken und bestätigen, dass sie jetzt etwas anderes tun wird.

Neuerdings will Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei mit May sprechen – das hatte er bislang ausgeschlossen. Was könnte ein solches Treffen bringen?

Derzeit wohl nicht allzuviel. Auch die Labour-Abgeordneten haben bei den Brexit-Abstimmungen nicht einheitlich votiert. Corbyn dürfte May vortragen, was er jetzt tun würde und sie wird nicken und bestätigen, dass sie jetzt etwas anderes tun wird. Immerhin: Es ist eine Geste, dass man aufeinander zugeht und miteinander spricht.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Chancen für einen unkontrollierten, harten Brexit sind wieder etwas gestiegen. Die Zeit wird eng, man manövriert sich immer tiefer in den Schlamm hinein. Gleichzeitig ist die Chance, dass man der EU entgegenkommt und die Nordirland-Frage über die Zollunion löst, etwas gestiegen. Mehr werden wir am 13. und 14. Februar erfahren, wenn sich das Unterhaus wieder mit dem Brexit befasst.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

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