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China im Blick Wie sich irische Hersteller auf den Brexit vorbereiten

90 Prozent der irischen Nahrungsmittel werden exportiert – 37 Prozent nach Grossbritannien. Nun sucht man neue Abnehmer.

Die irische Wirtschaft muss sich – intensiver als in anderen EU-Ländern – mit dem Brexit beschäftigen. Besonders von den neuen Handelsschranken, Verzögerungen und der Konkurrenz aus Übersee betroffen wäre die irische Nahrungs- und Getränkebranche. Deshalb fand weniger als zwei Monate vor dem festgelegten Austritt der Briten eine Konferenz dazu in Dublin statt.

Neue Märkte erschliessen

90 Prozent der irischen Nahrungsmittel- und Getränkeproduktion werden exportiert, 2018 für rund zwölf Milliarden Euro. 37 Prozent gehen nach England, erklärt Shane Hamill, ein Manager bei Bord Bia, der irischen Behörde zur Förderung dieser Branche, anlässlich eines Seminars im Brexit-Institut der Dublin City University.

Die Abhängigkeit vom britischen Markt hat in den letzten Jahren zwar abgenommen – seit dem Brexit-Referendum evaluiert und erschliesst Bord Bia aber zusätzlich neue Märkte.

Es geht um viel Käse

«Fünf irische Fleischfabriken haben inzwischen Zugang zum chinesischen Markt», so Hamill. Der chinesische Pro-Kopf-Konsum von Rindfleisch liege zwar erst bei vier bis sechs Kilo – in Irland betrage er 19 Kilogramm – aber «das ist ein bedeutendes Wachstumspotential». Deshalb liegt das zweitgrösste Büro der Behörde Bord Bia – nach London – nun in China.

Besonders akut vom Brexit betroffen könnte auch der irische Käse sein. John Jordan ist Chef von Ornua, der Genossenschaft, die Molkereiprodukte – unter anderem die Markenbutter Kerrygold – exportiert. Er sagt: «Das Vereinigte Königreich importierte jährlich etwa eine halbe Million Tonnen Käse.» Ein Fünftel davon werde vom britischen Lieblingskäse Cheddar bestritten.

Wer füllt Versorgungslücke?

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Matt Dempsey ist ein ehemaliger Chefredaktor der irischen Bauernzeitung und einer der profundesten Kenner der irischen Landwirtschaft. Er sagt: «Wer völlige Entscheidungsfreiheit über einen Markt von 60 Millionen Konsumenten hat, der sich nur zu 60 Prozent selbst versorgt, kann frei wählen, wer diese Versorgungslücke füllt.» Davor fürchtet sich Irland, Englands bisherige Speisekammer.

Käse für drei Monate auf Lager

Jordans Firma liefere zwischen 70 und 80 Prozent davon. Wenn der britische Markt kompromittiert wäre, wären die Ausweichmöglichkeiten beschränkt, glaubt er. Denn: «Dieser Käse wird vornehmlich in Grossbritannien und seinen ehemaligen Kolonien gegessen.»

Jordan beschreibt die ersten Abwehrmassnahmen: «Ornua hat beschlossen, den britischen Bedarf für die drei Monate nach dem Austrittsdatum aus Irland nach Grossbritannien zu verlagern.» Es seien Zehntausende von Tonnen.

Unsicherheit nicht beseitigt

Die irische Milchproduktion hat seit der Aufhebung von EU-Quoten vor vier Jahren neue Rekordwerte erklommen. Jordan erklärt, dass seither drei neue Verarbeitungsanlagen in Irland eröffnet wurden oder im Bau seien.

«Alle drei Molkereien produzierten europäische Käsesorten, was einer bedeutenden Diversifizierung gleichkommt», so Jordan. Irische Milch fliesse nicht mehr nur in traditionelle Produkte.

Derart strategisch und weitsichtig wappnet sich Irland auf den Brexit. Aber Unsicherheiten werden damit nicht beseitigt, denn niemand weiss, was wirklich geschehen und wie die britische Regierung damit umgehen wird.

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