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Corona-Alarm in Peking «Viren mutieren ständig»

Nach dem grössten neuen Ausbruch des Coronavirus seit vielen Wochen in Peking geht die Angst vor einer neuen Infektionswelle um. Seit Freitag wurden Dutzende neue Ansteckungen auf einem riesigen Grossmarkt festgestellt. Ob das nun eine zweite Welle ist und welche Auswirkungen der Ausbruch auf uns haben könnte, weiss SRF-Wissenschaftsredaktorin Cathrin Caprez.

Cathrin Caprez

Wissenschaftsredaktorin SRF

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Cathrin Caprez hat Chemie studiert und mehrere Jahre lang in der chemischen Analytik gearbeitet. Seit 2016 arbeitet sie als Wissenschaftsredaktorin bei SRF.

SRF News: Wie plausibel ist es, dass sich jemand an importiertem Lachs anstecken kann, wie das die chinesischen Behörden behaupten? Ist es möglich, dass das Coronavirus in tiefgefrorenem Lachs übertragen wird?

Cathrin Caprez: Nach heutigem Stand des Wissens erscheint das sehr unwahrscheinlich. Viren brauchen für die Vermehrung einen lebenden Wirt. In einem toten Lachs können sie es deshalb kaum nach China geschafft haben.

In einem toten Lachs haben es Viren kaum nach China geschafft.

Auch auf der Oberfläche dieser tiefgefrorenen Fische hätten allenfalls höchstens ein paar wenige Viren überlebt – aller Wahrscheinlichkeit aber bei weitem nicht genug, dass sie zu einer Quelle einer neuen Infektionswelle geworden sein könnten.

Chinesische Wissenschaftler sagen, es handle sich um einen anderen Typ des Coronavirus, das in Peking ausgebrochen sei. Wie schätzen Sie das ein?

Bisher sind erst ganz wenige Proben dieses neuen Virustyps genetisch analysiert worden. Entsprechend steht diese Vermutung noch auf sehr wackligen Beinen. Es müssen nun zunächst deutlich mehr Proben genetisch untersucht werden.

Erst dann kann man mit Sicherheit sagen, ob es sich bei diesen neusten Ansteckungen in Peking um solche Viren handelt, die schon zu Beginn der Pandemie in China zirkulierten oder ob es mutierte Viren sind, die aus Europa oder Amerika nach China zurückimportiert worden sind. Erst dann kann man auch sagen, wie stark das Virus mutiert ist.

Es braucht noch mehr Untersuchungen, bevor man sagen kann, ob es sich um einen neuen Virustyp handelt.

Grundsätzlich mutieren Viren ständig – ihre Geninformationen verändern sich also laufend ein klein wenig. Das gehört zur Natur von Viren. Ein Virus, das die Reise um den Erdball gemacht hat und wieder nach China kommt, weist deshalb deutlich veränderte Informationen in seinem Erbgut auf, welche die Wissenschaftler auch feststellen können.

Menschen stehen in einer Schlange vor einem blauen Zelt, dort medizinische Hilfskräfte in Schutzanzügen.
Legende: Neuer Ausbruch in Peking: Tausende wollen sich auf das Coronavirus testen lassen. Reuters

Bedeutet ein mutiertes Virus, dass sich auch die Krankheitssymptome verändern und die Entwicklung eines Impfstoffs noch schwieriger wird?

Es braucht substanzielle, wichtige Mutationen, bis sich das Virus anders auf den Menschen auswirkt – also zum Beispiel ansteckender wird oder einen anderen Krankheitsverlauf auslöst. In den vergangenen Monaten wurde mehrmals davor gewarnt, dass genau das geschehen sei. Doch das hat sich bislang nie bestätigt. Darum heisst es auch jetzt: ruhig Blut bewahren und die Forschenden ihre Analysen machen lassen.

Es braucht substanzielle Mutationen, bis das Virus beispielsweise ansteckender wird.

Was bedeutet dieser Ausbruch in Peking? Müssen wir uns vor einer zweiten Infektionswelle fürchten?

Das Risiko einer zweiten Pandemiewelle ist real – nicht nur in China, sondern in allen Ländern, in denen das Virus bislang aufgetaucht ist. Derzeit gibt es aber keinen Grund, sich wegen eines möglicherweise neuartigen Virus Sorgen zu machen. Und selbst wenn dem so wäre: So aufmerksam wie jetzt war die Welt wohl noch nie, falls ein neues Virus auftauchen sollte.

Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

Rendez-vous, 15.06.2020, 12:30 Uhr ; 

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