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Corona-Ausstellung in Wuhan Märtyrer wider Willen – wie China an seine Corona-Toten erinnert

Im Westen folgt eine Covid-Welle auf die nächste, in China ist der Alltag zurück – und die Behörden gedenken der Toten.

Vierzehn Schwarzweiss-Porträts hängen an der Wand, sogenannte Märtyrerinnen und Märtyrer, die beim Kampf gegen Corona ihr Leben verloren haben. Diese Märtyrerwand steht in der grossen Corona-Ausstellung in Wuhan, wo sich die Kommunistische Partei als glorreiche Kämpferin gegen das Virus inszeniert.

Eines der Fotos an dieser Märtyrerwand zeigt Li Wenliang, jenen Arzt, der frühzeitig vor Corona gewarnt hatte. Zu früh, denn die Behörden warfen damals ihm und anderen Ärzten die Verbreitung von Gerüchten vor und drohten mit Bestrafung. Zu einem Zeitpunkt, als die offizielle Sprachregelung noch lautete, das Virus sei nicht von Mensch zu Mensch übertragbar.

Corona-Ausstellung in Wuhan
Legende: Wie geht China, das bevölkerungsreichste Land der Welt, mit seinen Corona-Toten um? Die Ausstellung in Wuhan liefert Antworten: Todesfall ist nicht gleich Todesfall. Reuters

In der Nacht, als Li Wenliang selbst an den Folgen von Covid starb, wurden die sozialen Medien in China zu einer digitalen Klagemauer. Trauer um den Arzt und Wut auf die Behörden entluden sich auf dem chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo, wenn auch nur für ein paar Stunden. Die kritischen Kommentare wurden von den Online-Zensoren rasch wieder entfernt.

Kein Interesse an echter Aufarbeitung

Wenig später wurde der Whistleblower auf einmal ganz anders dargestellt. Die offiziellen Staats- und Parteimedien feierten Li Wenliang nun als Helden. Die Botschaft: Die Regierung ist auf der Seite des Volkes. Eine Untersuchung wurde versprochen. Dass die Behörden an einer echten Aufarbeitung nicht interessiert sind, bekamen etwa die Angehörigen von anderen frühen Corona-Opfern in Wuhan zu spüren.

Li Wenliang
Legende: Li wurde bekannt, weil er frühzeitig die Gefahren der durch die neue Coronavirusvariante erkannte und seine ärztlichen Kollegen davor warnte. Keystone

Jene Mutter etwa, die ihre Tochter verloren hat. Auch sie zu einem Zeitpunkt, als die Behörden die Ansteckungsgefahr noch herunterspielten. Oder der Sohn, dessen Vater sich im Spital mit Covid ansteckte und die Behörden deshalb verklagen will. Von Märtyrertum wollen diese Angehörigen nichts wissen. Stattdessen fordern sie Aufklärung und sie berichten von starkem Druck, den die Behörden direkt und über Bekannte auf sie ausüben.

Kaum unabhängige Informationen

Für Aufsehen sorgte vor rund einem Jahr, als das chinesische Investigativmagazin Caixin darüber berichtete, dass die Anzahl Urnen nicht mit der offiziellen Anzahl der Corona-Toten in der Stadt Wuhan übereinstimme und in Wahrheit bei weitem höher sein könnte.

Im April letzten Jahres wurde dann die Anzahl der Toten in Wuhan offiziell um 1290 Fälle nach oben korrigiert. Damit erreicht in ganz China die Zahl der Corona-Toten offiziell über 4500 Fälle. Und sie ist seither kaum mehr gestiegen.

Die offizielle Anzahl der Corona-Toten kann unabhängig nur schwer überprüft werden. Doch diese Zahlen sind für Chinas Regierung wichtig, weil sie damit zeigen will, dass sie die Viruskrise im internationalen Vergleich bravourös gemeistert habe.

Echo der Zeit, 12.03.2021, 18 Uhr ; 

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