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Corona-Bekämpfung in Mexiko Die Coronakrise gibt kriminellen Kartellen Auftrieb

Vielerort ist die Kriminalität in Folge der Coronakrise zurückgegangen. Aber nicht in Mexiko: Dort schlagen die kriminellen Kartelle gar Kapital daraus.

In mexikanischen Medien wird derzeit oft spekuliert, dass die Drogenkartelle unter Druck seien. Die Schliessung der US-Grenze erschwere den Rauschgiftschmuggel und es fehle an Rohstoffen für die Drogenproduktion, weil der Nachschub aus China ausbleibt.

Aber dafür gebe es keine gesicherten Daten, sagt der bekannte mexikanische Sicherheitsexperte Eduardo Guerrero. Die Verhaltensmuster der organisierten Kriminalität seien vielmehr gleich wie vorher, die Gewalt nehme leicht zu und auch die Schauplätze seien die gleichen.

3000 Menschen ermordet

Im April wurden in Mexiko erstmals mehr als 3000 Menschen ermordet, rund 70 Prozent davon im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität. Die Kartelle bekämpften sich gegenseitig in unverminderter Brutalität, sagt Kriminologie-Professor Juan Salgado in Mexiko-Stadt, denn kriminelle Organisationen hätten ihre Geschäfte ganz einfach der neuen Situation angepasst.

Sie würden ganze Ladungen von Medikamenten, Masken oder Beatmungsgeräten stehlen und weiter verkaufen. Daneben floriere auch das Geschäft mit gestohlenem Benzin, Öl und die Schutzgelderpressung habe sogar noch zugenommen, obwohl vielerorts Geschäfte und Restaurants geschlossen seien.

Auch das Drogengeschäft läuft weiter

Selbst das Drogengeschäft sei wohl weniger eingeschränkt als angenommen, glaubt Sicherheitsexperte Guerrero. Die reichen Kartelle verfügten über grosse Lager und seien durchaus in der Lage, die chemischen Ausgangsstoffe für synthetische Drogen wie Methamphetamin selber herzustellen.

Zudem sei der Schmuggel über die US-Grenze in Waren-Transporten weiterhin möglich und die Nachfrage nach Drogen in den USA unvermindert hoch, trotz höherer Preise.

Ein Teil der Nationalgarde, die sonst die organisierte Kriminalität bekämpfen sollte, sei abgezogen worden, um Hilfsgüter zu verteilen, weiss Professor Juan Salgado.

Machtdemonstration dem Staat gegenüber

Für internationale Schlagzeilen sorgten Bilder von mexikanischen Kartellen, die ihrerseits Lebensmittel an die arme Bevölkerung verteilen. Guerrero wertet dies als Machtdemonstration an die Adresse des Staates aber auch der anderen Kartelle.

Salgado vermutet hinter den Verteilaktionen der Kartelle aber auch politische Hintergedanken. Im Hinblick auf die Lokal-Wahlen im nächsten Jahr versuche man die Bevölkerung für sich zu gewinnen.

Die Machtbalance in Mexiko verschiebe sich in der Corona-Krise zunehmend zugunsten der organisierten Kriminalität, befürchtet deshalb Guerrero. Am 20. April, einen Tag nachdem Präsident Lopez Obrador von den Kartellen verlangt hatte, sich zurückzuhalten, brachten diese 114 Menschen um. Es waren so viele an einem einzigen Tag wie noch nie in diesem Jahr.

Echo der Zeit vom 13.5.2020, 18.00 Uhr

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