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Corona und Brexit In Grossbritannien läuft gerade einiges schief

Der Brexit brachte Boris Johnson an die Macht. Die Britinnen und Briten haben ihn im Dezember gewählt, weil er sie davon überzeugt hat, dass er den Austritt aus der EU endlich umsetzen wird.

Niemand konnte damals ahnen, dass der Premierminister einige Wochen später um sein Leben kämpfen und der Brexit völlig nebensächlich sein würde. Boris Johnson hat das Coronavirus überlebt, aber die euphorische Aufbruchsstimmung ist auf der Strecke geblieben.

Vertrauen in Johnson wird kleiner

Die Zeiten, in denen Johnson mit grossen Verheissungen wie «get Brexit done» oder «take back control» bei seinem Publikum punkten konnte, sind vorbei. Seit die Pandemie die Welt heimsucht, ist nüchternes, politisches Krisenmanagement gefragt.

Das war für keine Regierung der Welt einfach. In schwierigen Zeiten laufen immer Dinge schief, aber in Grossbritannien jüngst so häufig, dass dem Premierminister droht, sein wichtigstes Kapital verloren zu gehen: das Vertrauen der Britinnen und Briten.

Das Debakel begann bereits zu Beginn der Pandemie: Die britische Regierung reagierte zögerlich und verspätet – obwohl das europäische Festland hätte Warnung sein können: Die Schulen, Läden und Büros waren dort längst geschlossen, als in Grossbritannien immer noch in vollen Stadien Fussball gespielt und gefeiert wurde.

Tracing-App funktioniert nicht richtig

Später versprach der Premierminister den Britinnen und Briten das «weltbeste Track-and-trace-System», um Neuinfektionen rechtzeitig verfolgen zu können. Die App, welche den Kontakt mit Infizierten registrieren sollte, hat ein kleines Problem: Sie funktioniert bis heute nicht richtig. Die Mitarbeiter des nationalen Callcenters können nur einen Bruchteil der Menschen erreichen, die sich potenziell mit dem Virus angesteckt haben.

Noch grösser war das Debakel mit den Schulabschlussprüfungen. Diese konnten der Pandemie nicht in den Schulen durchgeführt werden, deshalb liess die Regierung die Matura-Noten von einem Computer berechnen. Die schlechten Resultate, die dabei herauskamen, führten zu einem Aufschrei in der Bevölkerung.

Bewertet wurde nämlich vom behördlichen Algorithmus mehr die geografische Herkunft als die individuelle Leistung der Schülerinnen und Schüler. Die Regierung musste einmal mehr eine Kehrtwende vollziehen. Es gelten nun doch die Bewertungen der Lehrkräfte aufgrund von Erfahrungsnoten.

Brexit als bedrohliche Blackbox

Hinter den Kulissen des täglichen Chaos tickt zudem immer noch die «Brexit-Uhr». Bis Ende Jahr möchte London mit Brüssel einen Freihandelsvertrag abschliessen. EU-Chefunterhändler Michael Barnier klagte aber vergangene Woche einmal mehr, dass die Verhandlungen eher rückwärts- als vorwärtsgehen würden. Der Brexit ist deshalb für die britische Wirtschaft längst nicht mehr eine gelobte Verheissung, sondern eine bedrohliche Blackbox.

Es ist in Grossbritannien kein Geheimnis, dass sich Boris Johnson eher weniger für die Details und Feinheiten der Regierungsarbeit interessiert. In den vergangenen Wochen hat man jedoch zunehmend den Eindruck, dass er ebenso das grosse Ganze aus den Augen verloren hat.

Patrik Wülser

Grossbritannien-Korrespondent

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Patrik Wülser arbeitet seit Ende 2019 in London als Grossbritannien-Korrespondent für SRF. Wülser war von 2011 bis 2017 Afrika-Korrespondent und lebte mit seiner Familie in Nairobi. Danach war er Leiter der Auslandsredaktion von Radio SRF in Bern.

Rendez-Vous, 26.8.2020, 12:30 Uhr

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