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Coronavirus in den USA «Florida hat das Potenzial, zum nächsten Hotspot zu werden»

Rund 21 Millionen Menschen leben in Florida. 20 Prozent von ihnen sind über 65 Jahre alt. Der Bundesstaat ist für viele Seniorinnen und Senioren zur Altersresidenz geworden. Sie gehören zur Corona-Risikogruppe. SRF-Korrespondent Matthias Kündig beobachtet, dass die Gefahr jetzt auch in Florida zum Thema wird – mit einiger Verzögerung.

SRF News: Wie gross ist die Angst in Florida vor dem Coronavirus?

Matthias Kündig: Die Angst ist derzeit vor allem bei den Fachleuten sehr gross, denn in Florida wurden bisher erst knapp 70'000 Tests durchgeführt. Die Kriterien, wer sich testen lassen darf, sind immer noch streng. Dies, weil es an Tests fehlt und an der Möglichkeit, diese auszuwerten. Es dauert fünf bis zehn Tage, bis Resultate vorliegen. Ein Arzt sagte mir, Florida sei schlicht im Blindflug und habe das Potenzial, zum nächsten Hotspot zu werden.

Der Gouverneur von Florida ist ein grosser Trump-Fan. Wie verhält er sich?

In vielem widerspiegelt sich Trumps Verhalten in dem von Ron DeSantis. Er hat wie Trump lange beschwichtigt und die Situation schöngeredet. Und obwohl die Zahlen vor allem in Südflorida seit einer Woche stark ansteigen, hat er sich zunächst geweigert, eine generelle Ausgangssperre über den ganzen Staat zu verhängen. Diese hatte er erst am Mittwochnachmittag angekündigt.

Ron DeSantis
Legende: Vorletzte Woche feierten in Florida noch Studenten den «Spring Break». Doch der republikanische Gouverneur von Florida, Ron deSantis, weigerte sich, die Strände abzusperren. Keystone

Sie gilt ab Ende der Woche. Bisher hatte er es einfach den Bürgermeistern überlassen, schärfere Bestimmungen zu erlassen. Zum Beispiel was den Zugang zu Altersheimen betrifft. Zurückhaltend ist DeSantis auch mit konkreten Zahlen, etwa zu bestimmten Bevölkerungsgruppen.

Gibt es trotzdem Hinweise, wie die Lage in den Altersheimen ist?

Man muss sich auf Berichte von Lokaljournalisten abstützen. Für Schlagzeilen sorgt seit eine Altersresidenz in Fort Lauderdale. Dort sind bereits sechs Menschen gestorben, 19 weitere wurden positiv getestet. Eine weitere Ausbreitung wird befürchtet, vor allem weil es bisher nicht möglich war, sämtliche 350 Bewohnerinnen und Bewohner und alle Angestellten zu testen, um Betroffene isolieren zu können.

Jetzt, da der Gouverneur im ganzen Staat eine Ausgangssperre verhängt hat, wird ziemlich sicher ein Ruck durch die Bevölkerung gehen.

Viel Aufmerksamkeit erhält nun die grösste sogenannte aktive «Adult Community», The Villages, wo fast 130'000 Senioren leben. Dort sind Anfang Woche bereits 41 Menschen positiv getestet worden.

In The Villages leben mehrheitlich republikanische Rentnerinnen und Rentner. Wie beeinflusst das den Umgang mit dem Coronavirus?

Weil die überwiegende Mehrheit eben nicht nur republikanisch ist, sondern sich auch ausschliesslich über den Sender Fox News informiert, der quasi das Sprachrohr von Donald Trump ist, wurde das Coronavirus lange Zeit als Hype der Demokraten angesehen, die nur darauf aus seien, dem Präsidenten zu schaden. Und nun reiben sich offenbar viele die Augen, seit auch Trump selbst andere Töne anschlägt und vor der Gefahr warnt, die vom Virus ausgeht.

Kann man sagen, dass dort die Realität noch nicht ganz angekommen ist?

Bei der Bevölkerung hat in den letzten Tagen ein Umdenken stattgefunden. Ich wohne in Miami in einem Hochhaus im 25. Stock und habe einen guten Überblick über den südlichen Teil von Downtown. Mir ist aufgefallen, dass nun weniger Leute unterwegs sind tagsüber. Noch vor einer Woche hat man grosse Gruppen gesehen. Das hat deutlich abgenommen. Und jetzt, da der Gouverneur im ganzen Staat eine Ausgangssperre verhängt hat per Ende Woche, wird ziemlich sicher ein Ruck durch die Bevölkerung gehen.

Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.

SRF 4 News, 02.04.2020, 06.45 Uhr ; 

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