Thailand, das Land des Lächelns, empfängt Reisende für einmal mit ernsten Gesichtern. Ich lande in Bangkok mit einem Swiss-Spezialflug. Der Flughafen Suvarnabhumi ist im Pandemie-Betrieb. Zu keiner Zeit kann ich mich frei bewegen, ich werde durchgeschleust, von Kontrolle zu Kontrolle, die Angestellten tragen Gesichtsmasken und Ganzkörperschutzanzüge.
Vom Moment an, wo ich die Boeing 777 verlasse, bis ich in meinem Quarantäne-Hotel meine Taschen abstelle, habe ich mit keiner Person Kontakt, die nicht geschützt war. Meine Quarantäne beginnt im Mövenpick-Hotel, Zimmer 306.
Ausländer müssen eines von 70 Quarantäne-Hotels auswählen. Zwei Wochen Vollpension kosten zwischen 1000 und 3000 Franken, inklusive Betreuung durch ein Partner-Spital und zwei Covid-Tests. Das Mövenpick-Hotel gehörte zu den ersten, die das Quarantäne-Paket im Angebot hatte.
Hoteldirektor Bruno Huber führt das Hotel seit zwei Jahren. «Wir haben alles auf eine Spitaloperation umstellen müssen», sagt er. «Das ist schon eine ganz andere Erfahrung.» Sein Hotel ist gut gebucht. Alle 250 Zimmer sind jetzt von Quarantäne-Gästen belegt.
Alle Hotels im offiziellen Quarantäne-Programm werden vom Gesundheitsministerium kontrolliert. Manchmal auch unangemeldet.
Alles ist streng geregelt
Der Tagesablauf ist für alle derselbe. Das Personal stellt drei Mahlzeiten pro Tag vor die Türe. Morgens um 8 Uhr und abends um 18 Uhr misst eine Krankenschwester die Temperatur der Gäste. Ich muss meine Körpertemperatur jeweils mit einer App ans Gesundheitsministerium schicken. Einmal pro Tag darf ich für 45 Minuten in den Hotel-Garten. Maximal 30 Personen sind erlaubt, Masken sind Pflicht und Joggen ist verboten. Die Überwachungskameras laufen.
Die Tage im Zimmer 306 vergehen langsam. Im Zimmer 412 sitzt noch ein anderer Schweizer. Stefan Jenzer ist pensionierter Urologe, lebt in Thailand und war aus geschäftlichen Gründen in der Schweiz.
Es ist nicht wegzudiskutieren, dass das mit einem Gefängnisaufenthalt zu vergleichen ist.
Ich telefoniere mit ihm an seinem fünften Tag in Quarantäne. «Es ist nicht wegzudiskutieren, dass das mit einem Gefängnisaufenthalt zu vergleichen ist», sagt er. «Die Zelle ist einfach ausserordentlich luxuriös.» Er kennt in seinem Umfeld andere Schweizer, für die so eine Quarantäne nicht infrage kommt. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das Thailand noch lange erlauben kann», sagt er. «So dekapitieren sie ihre ganze Tourismus-Industrie.»
Massnahmen schaden der Wirtschaft
Im Jahr 2019 kamen 40 Millionen Touristen nach Thailand. Seit März dieses Jahres Null. Für das ganze Jahr 2020 werden es nach Schätzungen des Ministeriums für Tourismus und Sport wohl etwa 7 Millionen sein.
Das ist für ein Land, in welchem ungefähr 20 Prozent der Wirtschaft vom Tourismus abhängig sind, ein drastischer Einbruch. Die Asiatische Entwicklungsbank ADB prognostiziert für das Jahr 2020 eine Schrumpfung der Wirtschaft um acht Prozent.
Das macht dem langjährigen Politiker Surapong Suebwonglee Sorgen. Die Regierung, die seit März per Notverordnung regiert, müsse über eine Öffnung nachdenken.
Dieser Stolz darauf, null Fälle zu haben, während unsere Wirtschaft auseinanderfällt, fühlt sich falsch an.
Suebwonglee war Finanzminister und Informationsminister. Heute berät er das Gesundheitsministerium. «Dieser Stolz darauf, null Fälle zu haben, während unsere Wirtschaft auseinanderfällt, fühlt sich falsch an», sagt er.
Doch die Regierung will ihre Erfolge im Kampf gegen das Virus, auf die sie zu Recht stolz sein kann, nicht so leicht aufgeben. In den letzten vier Monaten zählte das Land nur eine einzige lokale Infektion mit dem Coronavirus. Für diesen Erfolg gibt es wohl verschiedene Gründe.
Das Land hat früh und konsequent auf die Pandemie reagiert: Bis heute trägt die Bevölkerung überall Masken. In Läden und im öffentlichen Verkehr messen Angestellte die Temperatur der Gäste. Traditionell vermeiden Thais bei der Begrüssung sowieso Körperkontakt. Und das Land hat bereits Erfahrung in der Bekämpfung von Krankheiten wie Dengue oder Malaria und verfügt deshalb über eine entsprechende Infrastruktur.
Die Angst in der Bevölkerung vor dem Virus ist weiterhin gross. Und das heisst: Auf jeden Fall verhindern, das Virus erneut einzuschleppen. Zu diesem Zweck ist die obligatorische Quarantäne sicherlich effektiv. Im Mövenpick-Hotel haben seit April 1700 Personen die 14 Tage abgesessen. Bei drei Gästen ist das Coronavirus festgestellt worden. Sie wurden ins Spital verlegt und sind nach leichten Symptomen alle wieder gesund.
Die Quarantäneregeln sind effektiv
Die Rückkehrer im Mövenpick-Hotel sind zurzeit hauptsächlich ausländische Geschäftsleute in hohen Positionen und Thais, die sich den Luxus leisten können. Für Thailänder gibt es eine offizielle Staatsquarantäne, die kostenlos ist, aber auch weit weniger angenehm. Für Hoteldirektor Bruno Huber ist das Quarantäne-Programm ein Glück im Unglück. «Wir können alle Saläre zahlen und mussten bisher niemanden entlassen», sagt er. «Wir machen damit kaum Profit, aber das ist schon viel besser als andere Hotels.»
Nach 14 Tagen mache ich meinen letzten Covid-Test. Insgesamt sind es drei: Der erste 72 Stunden vor dem Abflug, der zweite bei der Ankunft und der dritte am Tag vor der Entlassung. Als ich nach 15 Tagen in die Freiheit entlassen werde, bin ich vor 19 Tagen zum ersten Mal negativ getestet worden. Zum Abschied erhalte ich ein Zertifikat. Ich muss es hochhalten, der Rezeptionist macht ein Foto für das Gesundheitsministerium.
Dann endlich, die Freiheit. Ich betrete ein Thailand ohne Coronavirus. Es ist nach drei Monaten in der Schweiz ein angenehmes Gefühl: Dem täglichen Leben nachgehen zu können, ohne sich über eine Ansteckung mit dem Coronavirus Gedanken machen zu müssen.