Die rechtspopulistische deutsche Partei AfD hat letzte Woche gleich in zwei Bundesländern den Fraktionsstatus verloren. Wegen internen Streits verliessen in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein mehrere Parteimitglieder die dortigen Fraktionen. Das heisse aber nicht, dass damit das Ende der AfD eingeläutet sei, sagt die Politologin Ursula Münch.
SRF News: Was ist los in der Alternative für Deutschland (AfD)?
Ursula Münch: Die AfD hat sich intern schon immer gestritten. Doch jetzt hat sich die Situation zugespitzt, weil die Frage, wie man mit dem rechtsextremen «Flügel» und dem inzwischen ausgeschlossenen früheren Fraktionschef von Brandenburg, Andreas Kalbitz, umgehen soll, die Partei spaltet.
Bei den internen Streits geht es auch um Geld, Eifersüchteleien und Macht.
Es geht um die Frage, welche Kräfte innerhalb der AfD stärker sind: die völkisch-nationalistisch-orientierten oder die bürgerlich-wertkonservativen Kreise. Daneben geht es bei den internen Streits aber auch um Geld, Eifersüchteleien und Macht.
Was bedeutet es konkret für die AfD, wenn sie in einem Landtag keine Fraktionsstärke mehr hat?
Die Partei erhält weniger Geld vom Staat und hat weniger parlamentarische Mitwirkungsrechte. Der Einfluss der AfD in den betreffenden Landtagen (die Parlamente der Bundesländer) wird also geschwächt. Doch das dürfte die einzelnen AfD-Abgeordneten nicht gross stören, denn sie sind sowieso meist Einzelkämpfer. Und auch die Kernwählerschaft scheint das nicht zu stören – Hauptsache, die AfD wettert weiter gegen die etablierten Parteien.
Die Kernwähler bleiben der AfD treu.
Ihnen geht es weniger um konkrete politische Inhalte als vielmehr um einen kompromisslosen Oppositionskurs gegen die Flüchtlingspolitik, gegen einen geregelten Parlamentarismus, gegen die «Mainstream-Medien», gegen das «Establishment». Immerhin: Die AfD-Wählerinnen und Wähler aus bürgerlichen Kreisen wenden sich zunehmend von der Partei ab, entsprechend sinken ihre Umfragewerte. Doch die Kernwähler bleiben der AfD weiter treu.
Inwiefern spielt bei den Streitigkeiten in Niedersachsen und Schleswig-Holstein der Streit um den rechtsextremen «Flügel» um Björn Höcke und Kalbitz mit rein?
In der Tat ist der Flügelstreit Anlass der Dissonanzen. Doch der tiefere Grund liegt wohl darin, dass die AfD-Leute ein zusammengewürfelter, bunter Haufen sind, mit denen man keine ordentliche parlamentarische Arbeit machen kann. Die Partei selber sieht darin aber weniger ein Problem. Für sie ist wichtig, Radau zu machen und so Aufmerksamkeit zu erlangen. Und das schafft sie so ja bestens.
Die Glaubwürdigkeit der Partei spielt dabei keine Rolle?
Der harte Kern der AfD-Anhänger bekommt die Dissonanzen ja gar nicht so mit. Viele von ihnen bewegen sich sowieso nur noch in ihren medialen «Echokammern». Sie erfahren gar nichts von den veruntreuten Geldern und der lausigen Arbeit der AfD-Politikerinnen und Politiker in den Landtagen.
Viele treue AfD-Wähler bewegen sich nur noch in ihren medialen ‹Echokammern›.
Trotzdem: Es entsteht der Eindruck, die AfD zerlegt sich gerade selber. Stimmt das?
Das hat schon etwas. Dabei muss man aber die aktuelle politische Stimmung in Deutschland mit berücksichtigen: Wenn die Flüchtlingszahlen relativ niedrig bleiben und die Zustimmung zur Corona-Politik der Regierung hoch bleibt, dann könnte es tatsächlich sein, dass die Zustimmungswerte zur AfD unter zehn Prozent fallen. Doch sobald sich erneut umstrittene Themen anbieten, erhält die Partei wieder Oberwasser – und das kann bekanntlich sehr rasch geschehen.
Das Gespräch führte Claudia Weber.