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Der Streit um Kalbitz könnte die AfD weiter schwächen
Aus SRF 4 News aktuell vom 19.05.2020. Bild: Reuters
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Machtkampf in der Partei «Die AfD könnte zum Wrack werden»

In der AfD rumort es gewaltig: Parteichef Jörg Meuthen hat den rechtsextremen «Flügel» innerhalb der AfD angegriffen und Andreas Kalbitz wegen seiner rechtsextremen Vergangenheit aus der Partei geworfen. Doch die AfD Brandenburg will an Kalbitz festhalten – er soll in der dortigen Fraktion bleiben.

Der entfesselte Machtkampf könnte zur Zersetzung der AfD führen, glaubt der Extremismusforscher Hajo Funke.

Hajo Funke

Hajo Funke

Experte für Rechtsextremismus

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Der Politikwissenschaftler und Rechtsextremismus-Experte lehrte bis zu seiner Emeritierung 2010 am Institut für Politische Wissenschaften der Freien Universität Berlin. Er hat zudem mehrere Bücher zum Thema NSU geschrieben.

SRF News: Andreas Kalbitz sagt, sein Verbleib in der brandenburgischen AfD-Fraktion sei «keine Kampfansage». Was soll es denn sonst sein?

Hajo Funke: Es ist einer der taktischen Schachzüge, auf die sich Kalbitz sehr gut versteht. Vor allem aber ist es ein entfesselter Machtkampf in der AfD. Die Gruppe um Parteichef Jörg Meuthen will den sogenannten «Flügel» – ein rechtsextremes Sammelsurium innerhalb der AfD um Kalbitz und Björn Höcke – stutzen oder sogar rauswerfen.

Wie viel Macht hat der «Flügel» innerhalb der AfD?

Ohne den «Flügel» passiert auf einem Parteitag gar nichts. Das heisst, der «Flügel» hat eine Blockadeposition, wenn nicht sogar eine Mehrheit. So wurde etwa Kalbitz, obwohl seine 30-jährige rechtsextreme Vergangenheit schon damals bekannt war, auf dem letzten Parteitag mit knapper Mehrheit in den Vorstand gewählt.

Höcke und Meuthen anlässlich einer Medienkonferenz, daneben steht auch AfD-Doyen Alexander Gauland.
Legende: Nach der Wahl in Thüringen im Oktober 2019 waren die Fronten noch nicht so verhärtet wie heute: AfD-Parteichef Meuthen (ganz rechts) posiert mit dem «Flügel»-Anführer Höcke. Keystone

Trotzdem legt sich Parteichef Meuthen jetzt mit dem «Flügel» an. Wie erklären Sie sich das?

Dahinter stecken zwei taktische Kalküle: Meuthen sieht, dass der Druck des sehr entschieden vorgehenden Verfassungsschutzes zunimmt: Inzwischen ist nicht mehr nur der «Flügel» Beobachtungsfall, sondern auch die junge AfD. Wenn nun der «Flügel» weiterhin als dominant innerhalb der Partei erscheint, könnte bald die ganze AfD zum Beobachtungsfall des Verfassungsschutzes werden.

Die gesamte AfD könnte zum Beobachtungsfall des Verfassungsschutzes werden.

Das würde die Partei schwer treffen, denn viele ihrer Mitglieder sind Beamte – sie würden in dem Fall ihre Stelle riskieren. Das zweite Kalkül des Parteichefs ist, dass er den Niedergang der AfD im Westen Deutschlands mildern kann, wenn er den «Flügel» stutzt oder sogar los wird.

Am liebsten wäre es Meuthen, der «Flügel» würde sich von der AfD abspalten. Werden ihm Höcke und Kalbitz diesen Gefallen machen?

Nein. Wir sehen einen vergifteten und vergiftenden Machtkampf innerhalb der AfD. Man kann schon fast annehmen, dass sich die Partei damit zerlegt. So verfeindet und verhärtet sind die Fronten inzwischen. Trotzdem: Unter den aktiven Parteimitgliedern und Fraktionsmitgliedern herrscht der Mythos der Einheit der Partei. Oder wie Höcke es formulieren würde: Nur eine starke, fundamental-oppositionelle Bewegungspartei kann die Republik vorantreiben. Wenn sich die AfD also spalten würde, würde so der Eindruck vermittelt, gar nicht mächtig zu sein. Das wäre für eine solche Partei hochgefährlich.

Wir sehen einen vergifteten Machtkampf innerhalb der AfD.

Schon frühere Parteichefs hatten sich mit dem rechtsextremen «Flügel» angelegt und mussten abtreten. Droht jetzt auch Meuthen der Sturz?

Es könnte noch schlimmer kommen für die AfD: Sie könnte zum Wrack werden. Wenn der Machtkampf zwischen Meuthen und dem in Ostdeutschland starken «Flügel» jetzt über Monate weitergeht, dann hat das zersetzende Folgen. Die Partei ist dann für jene Wählerinnen und Wähler, die Meuthen ansprechen möchte, nicht mehr attraktiv – das sind vor allem enttäuschte CDU- oder FDP-Wähler oder solche, die gar nicht mehr zur Wahl gehen. Die Attraktivität der Partei sinkt also durch den Zwist.

Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.

SRF 4 News aktuell vom 19.5.2020, 07.55 Uhr;

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