Angesichts der chinesischen Drohkulisse nach dem Besuch von US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi steigt bei vielen Menschen weltweit die Furcht vor einer Eskalation in Taiwan. Doch wie nimmt das offizielle Taiwan die Lage wahr? Wir haben den offiziellen Repräsentanten Taiwans in der Schweiz zum Interview getroffen.
SRF News: Was denken Sie über den Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan?
Insgesamt überwiegt der Nutzen ihres Besuchs. Er zeigte das unerschütterliche Engagement der Vereinigten Staaten für das Überleben Taiwans und die Demokratie. Taiwan hat den Vereinigten Staaten durch den Besuch ein gutes Gefühl gegeben.
Haben Sie nach dem Besuch den Eindruck, dass Taiwan die volle Unterstützung der USA hat?
Der Senat der Vereinigten Staaten hat Taiwan versichert, dass die USA den Status quo in der Taiwanstrasse aufrechterhalten wollen. Auch die derzeitige Regierung in Taiwan versucht, diesen Status zu erhalten. Wer auch immer in China die militärischen Streitkräfte ausgesandt hat, um Raketen abzuschiessen und auf die Taiwanesen und die nahegelegenen Hoheitsgewässer zu zielen, will diesen Status quo stören. Und damit den Vereinigten Staaten die Stirn bieten.
Wie beurteilen Sie die Reaktion der chinesischen Regierung?
Pekings Reaktionen sind ziemlich vorhersehbar. Wir wurden von Beginn an gewarnt, also ist das alles jetzt keine Überraschung. Aber wenn sich die Situation längerfristig entwickelt, wird China vielleicht einige Dummheiten machen und die Situation eskalieren lassen. Dass ein militärischer Konflikt zwischen China und Taiwan stattfindet, ist in niemandes Interesse. Diese militärischen Übungen stellen eine Verletzung des internationalen Völkerrechts dar, denn wenn man die Übungen in der Nähe von fremden Hoheitsgewässern durchführt, ist das keine Übung, sondern eine Drohung. Und das sollte von keiner Demokratie toleriert werden.
Was die Taiwaner stets tun, ist, sich auf den schlimmsten Fall vorzubereiten.
Was erwarten Sie von der Schweizer Regierung?
In meiner Funktion kann ich nichts verlangen. Die Schweizer Regierung hat selber zu entscheiden, was zu tun ist. Ich würde es begrüssen, wenn sie in ihrem eigenen Interesse eine Erklärung abgeben würde, um die Solidarität eines kleinen Staates zu zeigen. Um zu zeigen, dass jeder die internationalen Regeln respektieren muss und keine Gewalt gegen andere Staaten anwenden darf.
Wie können wir China und das, was China will, besser verstehen?
Wir müssen verstehen, dass China unter der totalen Kontrolle der chinesischen kommunistischen Parteien steht. Sie ist nicht demokratisch und spricht nicht dieselbe Sprache wie Taiwan, die Schweiz oder alle anderen europäischen Länder.
Ihre Familie lebt in Taiwan. Haben Sie Angst um sie?
Lassen Sie es mich anders ausdrücken: In Taiwan wollen viele Leute sich nicht vor der Bedrohung durch China fürchten müssen, doch Taiwan wird täglich bedroht. Sie überfliegen täglich unsere Luftverteidigungszone. Sie bedrohen Taiwan bereits. Was die Taiwaner stets tun, ist, sich auf den schlimmsten Fall vorzubereiten.
Das Gespräch führte Lukas Messmer.