Die Ausgangslage: Mehrere prominente Frauen, Politikerinnen sowie eine Kabarettistin und eine Anwältin, bekamen ein Mail zugesandt, in dem ihnen mit dem Tod gedroht wird. Gemeinsam haben diese Mails, dass sie alle mit «NSU 2.0» unterschrieben sind. Sie nehmen also Bezug auf den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), die mordete, Mordversuche verübte, sowie für Sprengstoffanschläge und Raubüberfälle verantwortlich war.
Das Brisante: Bevor die besagten Drohmails verschickt wurden, wurden zum Teil persönliche Daten der Mail-Emfängerinnen aus den Computern der hessischen Polizei abgefragt. Denn die Schreiben enthielten mitunter Informationen über die betroffenen Frauen, die nicht öffentlich verfügbar sind. Die Daten sollen im Polizeipräsidium Westhessen in Wiesbaden abgegriffen worden sein.
Der Verdacht: Obwohl man wisse, dass diese Abfragen von hessischen Polizeicomputern getätigt wurden, wisse man noch nicht, wer das war, sagt SRF-Korrespondent Peter Voegeli. Und: «Es gab eine rechtsextreme Chat-Gruppe bei der hessischen Polizei, die aufgedeckt wurde. Es gab diverse Ermittlungen und es gab auch Suspendierungen von Beamten.» Die Indizien, sagt Voegeli, würden sehr dafür sprechen, dass es Rechtsextremisten bei der hessischen Polizei gebe. Selbst der Innenminister des Bundeslandes Hessen, Peter Beuth, schliesst inzwischen nicht mehr aus, dass es ein rechtes Netzwerk in der hessischen Polizei geben könnte.
Die Reaktionen: Der Polizeipräsident Hessens trat wegen der Affäre am Dienstag zurück. Gleichzeitig steigt aber auch der Druck auf den Innenminister Peter Beuth (CDU). Dieser befinde sich zurzeit auf einem Feldzug gegen das hessische Landeskriminalamt, sagt Voegeli. Er sei nicht informiert worden, gab der Innenminister bekannt. «Dann musste er zugeben, dass es eine mündliche Information gab.» Ein Streit mit den eigenen Leuten, der das angeschlagene Vertrauen in die hessische Polizei weiter untergrabe, so der SRF-Korrespondent.
Die Untersuchung: Der hessische Innenminister hat einen Sonderermittler eingesetzt und die verschiedenen Verfahren werden von der Staatsanwaltschaft Frankfurt gebündelt. «Denn es wurden auch Politikerinnen der Linkspartei Berlin und Thüringen bedroht», so Voegeli. Und es wurde auch bekannt, dass ein verdächtiger Polizist aus Hessen nach Berlin versetzt worden war. Das alles behandle jetzt eine Staatsanwaltschaft, die auch besser die Fäden verbinden könne, sagt der Deutschland-Korrespondent.
Der Kontext: Der NSU sei schon ein Debakel erster Güte für die deutschen Sicherheitsbehörden gewesen. Es gebe noch den Verdacht, dass das NSU-Netz grösser gewesen sei, als bislang aufgeklärt wurde. «Es gibt seither immer wieder rechtsextreme Gewalttaten, zum Beispiel den Mord am Politiker Walter Lübke, den Anschlag auf eine Synagoge in Halle, der nächste Woche vor Gericht kommt.» Und ausgerechnet während der Black-Lives-Matter-Demonstrationen gegen die Polizei gebe es nun möglicherweise Rechtsextreme in der Reihen der hessischen Polizei. Und nicht zuletzt sei das erste Drohmail bereits im August 2018 aufgetaucht – und auch nach zwei Jahren trete die Aufklärung auf der Stelle, sagt Peter Voegeli.