Auf seinem Feld bei Raqqa steht Bauer Nadim vor vertrockneten Weizenpflanzen. Die Erde ist rissig, die Sonne brennt unerbittlich. Früher sei das alles grün gewesen, sagt er und blickt über sein Land.
Die alten Pumpen fördern kein Wasser mehr, er muss immer tiefer graben, um Grundwasser zu erreichen. Doch selbst dort versiegt die Quelle langsam. Nur die Hälfte seiner Felder kann er dieses Jahr noch bepflanzen. «So schlimm war es in meinem ganzen Leben noch nie», sagt er.
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Bild 1 von 2. Bauer Nadim kämpft mit der Trockenheit. Bildquelle: SRF / Thomas Gutersohn.
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Bild 2 von 2. Die Menschen müssen tiefer graben, um ans Grundwasser zu kommen. Bildquelle: SRF / Thomas Gutersohn.
Entlang des Euphrats, der sich von der Türkei durch Syrien bis in den Irak zieht, wiederholt sich Nadims Schicksal. Der Fluss, einst Lebensader der Region, ist vielerorts nur noch ein schmaler Streifen. Auf den Feldern bleibt die Aussaat aus, Vieh wird verkauft, Familien verlieren ihr Einkommen. Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) kämpft Syrien in diesem Jahr mit einem Weizendefizit von über zweieinhalb Millionen Tonnen – das entspricht dem Jahresbedarf von 16 Millionen Menschen, also zwei Dritteln der Bevölkerung.
Wasser als politisches Druckmittel
In der Wasseraufbereitungsstation von Raqqa versucht Ingenieur Abu Abdel Qader, das Flusswasser nutzbar zu machen. «Wasser ist Leben», sagt er, während er prüfend ins Becken blickt. Der sinkende Wasserstand lässt den Schmutzanteil steigen, Filter verstopfen, die Anlage muss immer wieder gereinigt werden. Das Wasser des Euphrats, erklärt er, reiche längst nicht mehr aus, um die Stadt zu versorgen.
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Bild 1 von 4. Abu Abdel Qader leitet die Wasseraufbereitungsstation von Raqqa. Bildquelle: SRF / Thomas Gutersohn.
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Bild 2 von 4. Weil der Euphrat immer weniger Wasser führt, wird die Arbeit schwieriger. Bildquelle: SRF / Thomas Gutersohn.
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Bild 3 von 4. Mitarbeiter der Anlage müssen Schmutz aus dem Wasser fischen, sonst drohen die Filter zu verstopfen. Bildquelle: SRF / Thomas Gutersohn.
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Bild 4 von 4. Tabqa-Staudamm südwestlich von Raqqa. Bildquelle: REUTERS / Orhan Qereman.
Der Grund ist nicht nur die Dürre. Der Euphrat entspringt in der Türkei – und Ankara kontrolliert mit 22 Staudämmen, wie viel Wasser Syrien und der Irak erhalten. Heute führt der Fluss nur noch rund ein Viertel der Menge von vor zwanzig Jahren. Offiziell verweist die Türkei auf eigene Engpässe, doch in Syrien wächst der Verdacht, das Wasser werde gezielt als Druckmittel eingesetzt.
Ein Land trocknet aus
In Hasaka, weiter nordöstlich, ist die Lage besonders kritisch. Das Grundwasser ist um drei Meter gesunken, berichtet Hassan Hussein, einer der Leiter des Wasserdirektoriums. «Wenn es diesen Winter nicht regnet, liegt die Stadt im nächsten Sommer völlig trocken.» Hasaka wird mehrheitlich von syrischen Kurden bewohnt und untersteht – wie auch Raqqa – einer kurdisch geführten teilautonomen Verwaltung.
Seit Jahren streitet man hier mit der Türkei um eine Wasseraufbereitungsanlage im Grenzgebiet. Sie wäre die wichtigste Quelle für den Nordosten Syriens – und wird seit 2019 von der Türkei kontrolliert. «Sie trocknen uns aus, um uns zu schwächen», sagt Hussein. Ankara weist das zurück, doch in der Region ist die Überzeugung weit verbreitet, dass Wasser längst zur Waffe geworden ist.
Unterstützung von der neuen Regierung in Damaskus bleibt aus. «Es scheint, als stünde Damaskus auf der Seite Ankaras», meint Hussein bitter. Dabei bräuchte das Land dringend eine nationale Wasserstrategie – denn mit jedem Jahr der Dürre spitzt sich der Mangel zu.
Die Trockenheit verschärft einen alten Konflikt: Während die Temperaturen steigen und die Regenfälle ausbleiben, kämpft der Osten Syriens um eine Ressource mit der Türkei. Das zu einem Zeitpunkt, an dem Damaskus und die kurdisch geführte Verwaltung eigentlich über eine Wiederannäherung verhandeln.