Darum geht es: Russland will den Anteil an Atomstrom im Land um mehr als ein Viertel von derzeit 18 Prozent auf 25 Prozent an der Gesamtstromproduktion steigern. Dazu ist der Bau von 38 neuen Reaktorblöcken geplant, was praktisch einer Verdoppelung der derzeit laufenden AKWs in Russland entspricht. Das sagte der Leiter des Atomkonzerns Rosatom, Alexej Lichatschow, bei einer Konferenz der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien.
Russland versucht, durch die Abhängigkeit im Brennstoffkreislauf Länder an sich zu binden.
Das sind die Gründe: Neben der Stromversorgung des Landes gehe es Machthaber Wladimir Putin auch darum, das Know-how in der Kerntechnik zu behalten und auszubauen, sagt Anna Veronika Wendland. Sie ist Osteuropa- und Technikhistorikerin im deutschen Marburg: «Es geht auch um den militärischen Aspekt der Kerntechnik.» Zudem forsche auch Russland – wie zahlreiche andere Industriestaaten – an neuen, kleineren, sogenannten SMR-Reaktoren.
Exportschlager AKWs: Russland will die Kerntechnik aber auch deshalb weiterentwickeln, weil es sie exportieren und in anderen Ländern AKWs bauen und Uran-Brennstoff liefern will. «Russland versucht, durch die Abhängigkeit im Brennstoffkreislauf Länder an sich zu binden», sagt die Osteuropa-Historikerin. Russland baut also nicht nur die Atomreaktoren, sondern liefert auch die Brennstäbe dazu. So entsteht eine von Moskau strategisch gewollte Abhängigkeit in der Energieproduktion des betreffenden Landes.
Abhängigkeit von Russland: Derzeit baut Rosatom etwa in der Türkei das AKWs in Akkuyu. «Die Türkei wird damit stark abhängig von russischem Know-how und von Kernbrennstofflieferungen aus Russland», so Wendland. Neben der Türkei plant auch Ungarn den Bau eines russischen Kernkraftwerks – obwohl derzeit EU-Sanktionen gegen Russland gelten. Und: Nach wie vor sind zahlreiche in Europa betriebene Atomkraftwerke auf Brennstofflieferungen aus Russland angewiesen – auch wenn die EU bestrebt ist, diese Abhängigkeit zu beenden.