Zum Inhalt springen

Ein Jahr Krieg in der Ukraine Keine Aussicht auf Frieden – der Westen bleibt gefordert

Seit einem Jahr ist Krieg in der Ukraine. Und der Krieg wütet mehr denn je. Anfang Februar war ein Team von SRF News in Kramatorsk, einer Stadt in der Ostukraine. Dort ist von der Front her unablässig das Donnern der Kanonen zu hören. Es ist eine Geräuschkulisse, die Europa seit dem 2. Weltkrieg 1945 nicht mehr gehört hat.

Der russische Krieg gegen die Ukraine geht nun ins zweite Jahr – und Aussichten auf Frieden gibt es kaum. Die Ukrainer wollen zurzeit kein Ende der Kämpfe: Solange noch russische Soldaten auf ukrainischem Boden stehen, ist für Kiew ein Waffenstillstand undenkbar – zu monströs waren die russischen Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung, in Butscha, in Mariupol, in anderen geschundenen Städten.

Putin hat Kriegsziele nicht aufgegeben

Das Hauptproblem aber ist freilich, dass auch die Russen keinen Frieden wollen. Deren Präsident Wladimir Putin hat seine Kriegsziele nicht aufgegeben. Er möchte grosse Teile der Ukraine erobern und annektieren, er will überhaupt den unabhängigen ukrainischen Staat zerschlagen.

Dafür hat der Kreml mehrere hunderttausend Mann mobilisiert, die Waffenfabriken des Landes arbeiten auf Hochtouren und die Propaganda schwört die russische Bevölkerung auf einen langen Krieg ein. Putin ist bereit, einen sehr hohen Preis zu zahlen, um diesen Krieg zu gewinnen.

Westen muss sich auf andauernde Kämpfe einstellen

Es mag immer wieder Versuche geben, einen Frieden zu vermitteln – international, etwa bei der UNO. Aber die realistischste Perspektive ist düster: Die Kämpfe werden noch lange weiter gehen. Brutal und blutig. Darauf muss sich auch der Westen einstellen.

Westliche Waffenhilfe hat der Ukraine zwar bisher das Überleben gesichert. Aber diese Hilfe fliesst oft zäh. Sie reicht dazu aus, dass die Ukraine nicht verliert, aber ist zu wenig, damit die Ukraine gewinnen könnte. Fast ein Jahr hat es etwa gedauert, bis der Westen sich durchringen konnte, der Ukraine Kampfpanzer zu schicken.

Kriege lassen sich nicht kostengünstig gewinnen

Wenn Europäer und Amerikaner wirklich wollen, dass Putin mit seinem Eroberungskrieg nicht durchkommt, dann müssen sie mehr für die Verteidigung der Ukraine tun. Und sie müssen vor allem bereit sein, es lange zu tun, möglicherweise über Jahre Artilleriemunition, Panzer, Raketen zu liefern. Das wird sehr viel kosten – und es birgt auch Risiken. Aber kostengünstig und sorgenfrei lassen sich Kriege nicht gewinnen.

David Nauer

Ukraine- und Russland-Korrespondent

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

David Nauer ist Ukraine- und Russland-Korrespondent bei SRF TV. Von 2016 bis 2021 war er als Radio-Korrespondent in Russland tätig. Zuvor war er Russland-Korrespondent des «Tages-Anzeigers». Nauer reist seit Beginn des russischen Angriffskriegs regelmässig in die Ukraine.

Hier finden Sie weitere Artikel von David Nauer und Informationen zu seiner Person.

HeuteMorgen, 24.02.2023, 06:00 Uhr

Meistgelesene Artikel